berliner szenen Traumpost (9)

Beuys in Öl

Vorgestern, müde, einen Konkret-Artikel von Peter O. Chotjewitz gelesen. Er schreibt über die RAF-Ausstellung – der ehemalige Anwalt von Baader, klar, dass er sich da auskennt. Er schreibt über das Beuys-Objekt: „Dürer, ich persönlich führe Baader +“ steht auf einem ersten Pappschild, auf dem zweiten „+ Meinhof durch die dokumenta V J. Beuys“. Die Pappschilder sind auf Stiele genagelt, die in Filzpantoffeln enden, doch der eigentlich dazugehörende Stacheldraht fehlt. Chotjewitz schreibt auch, das Beuys' Dürer nicht der ist, den wir kennen. Aha. Ich räume das Heft beiseite und schlafe ein.

Als ich vom Wecker geweckt wurde, hatte ich von Beuys geträumt. Das heißt, nicht von Beuys, nur von den Umrissen: hagerer Mann mit Hut, von dem ich wusste, dass er seinen Mercedes 600 geliebt haben soll, der ihm ausgebrannt sei. Ich hatte einen Mercedes 600 als Spielzeugauto und vor dem stand nun Beuys, er redete mit mir, während mein Spielzeugauto brannte. Ich hörte ihn nicht, da ich das Gesicht von Beuys – dieser Ikone, dieses Schmerzensmannes mit der komischen Stimme – nicht erkennen konnte. Ich musste noch schnell das Gesicht sehen, träumte ich, als der Wecker mich rief.

Ich wusste nur, dass er fast so aussah wie der Maschinist im Film „Das Boot“, den man, glaube ich jetzt, auch „Das Gespenst“ nannte, ein hohlwangiger kranker Typ, Zähne, Augen, alles krebszerfressen. Und dann hatte mein Traumbeuys plötzlich auch Öl überall, wie er so vor meinem Spielzeugmercedes stand, und ich frage mich, ob der Mercedes brennt, weil Beuys ihn repariert hatte. Aber diese Frage stellte sich bereits, nachdem ich den Wecker ausgemacht hatte. Und ich fand keine Antwort.

JÖRG SUNDERMEIER