Bereit für den Boom

Platz zwei im Mannschaftswettbewerb unterstreicht: Die Nordischen Kombinierer sind weiter auf dem Vormarsch

OBERSTDORF taz ■ Die Zuschauer, die Atmosphäre. Immer wieder brachten die Nordischen Kombinierer des Deutschen Skiverbandes diese beiden Komponenten ins Spiel, als sie ihren überraschenden Erfolg im Team-Wettbewerb erklären sollten: Silber gewonnen, nachdem sie mit dem schier uneinholbaren Rückstand von 1:26 Minuten auf die letztlich siegreichen Norweger zur 4x5-Kilometer-Staffel aufgebrochen waren, aber nur sieben Sekunden später ins Ziel kamen. „Die Atmosphäre hat derart beflügelt“, berichtete Georg Hettich, der noch mehr Rückstand aufholte als Startläufer Sebastian Haseney, nämlich 36 Sekunden: „Ich wusste schon nach zehn Metern, dass ich ein gutes Rennen mache.“ „Ich habe mich von den Zuschauern anstecken lassen“, sagte Björn Kircheisen, der sein Team auf den zweiten Platz gerannt hatte. „Die Zuschauer haben mich ins Ziel getrieben“, sagte auch Ronny Ackermann, der im Endspurt gerade noch die Skispitze vor dem Österreicher Gottwald über die Linie brachte.

20.000 Zuschauer im Langlauf-Stadion von Oberstdorf, beim Springen am Vormittag waren 16.000 in der Schattenbergarena gewesen – so viele Zuschauer hatte es noch bei keinem Wettbewerb dieser WM gegeben; so viele hatten die Kombinierer überhaupt noch nie und nirgends gehabt. Sie sind zweifellos die großen Gewinner dieser Titelkämpfe, und das nicht nur wegen ihrer Erfolge. Die Kombinierer haben nun drei der vier Medaillen für den DSV gewonnen, vor allem haben sie bei ihren zwei bisherigen Wettbewerben – im Einzel von der Normalschanze und im Team von der Großschanze – die bislang spannendsten Wettkämpfe dieser WM gezeigt: voller Leidenschaft und taktischer Raffinessen, mit dramatischen Entscheidungen auf den letzten Metern. Deswegen stellen sich die Leute ja zu tausenden in die Kälte: Sie wollen die Athleten kämpfen sehen.

Die Kombinierer kämpfen aber nicht nur gegeneinander, sondern auch miteinander – für ihren Sport. „Jede Disziplin entwickelt sich auf ihre eigene Weise“, sagt Ackermann, wenn er die Situation der Kombination mit dem früheren Boom der Skispringer vergleichen soll oder dem Zwischenhoch der Langläufer: „Seit fünf, sechs Jahren machen wir Fortschritte.“ Bei den Weltmeisterschaften 1999 ermittelten die Kombinierer ihre Besten erstmals an einem Tag, damals nahmen sie auch den Sprint-Wettkampf ins Programm – die schnelleren Entscheidungen kamen beim Publikum prima an. Hierzulande kamen Olympia- und WM-Erfolge hinzu, insgesamt holten die DSV-Kombinierer zehn Medaillen seit 2001, darunter drei goldene. „Wir haben in den letzten drei Jahren einen großen Schritt gemacht“, sagt Ackermann. Der Weltmeister wähnt seine Sportart sogar schon an der Spitze der nordischen Disziplinen, „das ist halt nun mal die neue Situation jetzt“, sagt und empfiehlt den Zweiflern: „Einfach akzeptieren!“

So weit wie Ackermann glaubt, sind die Kombiniere freilich noch nicht. „Man kann nur hoffen, dass die Fis diese Begeisterung hier aufgreift und die Weltcup-Wettbewerbe in Zukunft attraktiver macht“, sagt Andreas Bauer, der Sprungtrainer der DSV-Kombinierer. Innerhalb des Internationalen Skiverbandes (Fis) kämpfen die Kombinierer derzeit darum, dass bei der nächsten WM eine weitere Disziplin in das Programm aufgenommen wird, zum Beispiel der Massenstart. Bundestrainer Hermann Weinbuch drängt seit Jahren auf weitere Reformen, aber die Fis reagiert nur träge auf seine Vorschläge. Nach der WM wird beim Weltcup in Lahti immerhin mal eine neue Wettkampfform ausprobiert, der Hurrikanstart. Dabei starten die Athleten nach dem Springen nicht mehr in Zeitabständen zum Langlauf, sondern der Rückstand wird in Meter umgerechnet. Die Sportler werden also in entsprechenden Abständen aufgereiht wie in einer Schnecke – und alle laufen zur gleichen Zeit los. Weinbuch erhofft sich davon, „vielleicht noch ein bisschen mehr Leben reinzubringen“.

Der Bundestrainer kämpft einen mühsamen Kampf für seinen Sport, und nicht immer ist er so erfolgreich wie seine Athleten. „Ich würde mir ein helleres Ohr wünschen beim Verband“, klagte er zu Saisonbeginn über die Mittelverteilung beim DSV: „In die Alpinen wird reingebuttert, für uns bleibt nicht mehr viel übrig.“ Aus dem Wenigen haben sie freilich das Meiste gemacht. Das muss man einfach akzeptieren. JOACHIM MÖLTER