PHILIPP MAUSSHARDT über KLATSCH
: Geschichten aus der Welt der Irren

Wissen die Schwiegermütter und Staatspräsidenten dieser Welt eigentlich, was sie uns mit ihren Besuchen antun?

Vergangene Woche verschlug es mich nach Sankt Gangloff in Thüringen, in ein Dorf nicht weit vom Hermsdorfer Autobahnkreuz. Ich saß in der niedrigen Stube eines Bauernhauses, und mein Sankt Gangloffer Gastgeber erzählte, wie es damals gewesen war, als Erich Honecker auf seinem Weg von Berlin nach Schleiz einmal durch Sankt Gangloff kam.

Die Sankt Gangloffer wurden von der Volkspolizei aufgefordert, den Wald aufzuräumen. Alle gefällten Baumstämme sollten gerade in Reihe gelegt und Schnittholz abtransportiert werden, damit, wenn Honecker zufällig aus dem Wagenfenster blicken sollte, im Wald zwischen Hermsdorf und Sankt Gangloff keine Unordnung herrscht.

Mir gefallen Geschichten aus der Welt der Irren. Wobei, wenn es Politiker betrifft, ich nie ganz sicher bin: Sind die selber so oder sind sie auch nur Opfer von durchgeknallten Sicherheitsleuten und neurotischen Protokollchefs? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Honecker sich von schräg im Wald liegenden Baumstämmen hätte gestört fühlen können.

Bevor meine Schwiegermutter zu Besuch kommt, werde ich von meiner Frau immer gebeten, meine alten Socken vom Boden aufzuheben und den Playboy unters Bett zu schieben. Sie selbst wischt dann noch einmal den Boden, und beim letzten Mal hat sie sogar unseren Edelstahlkühlschrank mit einer speziellen Politur behandelt.

Dann streiten wir noch ein wenig darüber, ob das Bild an der Wand, auf dem Maria dem Jesuskind den Arsch versohlt, abgehängt werden muss oder ob wir es ihr dieses Mal endlich zumuten sollten. Ich bin dafür und sie ist dagegen, manchmal ist es aber auch andersherum. Der Streit eskaliert, bis einer von uns schließlich das Bild hinterm Schrank versteckt.

Dann klingelt es, und wir strahlen um die Wette. „Ach, wie schön ihr es wieder habt“, sagt meine Schwiegermutter.

Wenn George Dabbelju Busch zurück in Texas ist, wird er seinen Leuten merkwürdige Dinge erzählen. Er sei in Germany durch eine Geisterstadt gefahren, an deren Namen er sich gerade leider nicht mehr erinnern könne.

Aber was ihm aufgefallen sei: Da war kein Mensch auf der Straße, dafür aber die Garagentore alle geöffnet und im Innern blitzeblank aufgeräumt. Ein komisches Volk, diese Deutschen, wird der Präsident sagen, aber ihr Kanzler sei sehr freundlich gewesen.

Wundern wir uns wirklich noch, warum Regierungschefs häufig so unverständliche Entscheidungen treffen? Ich mich jedenfalls nicht. Sie halten uns für verrückt.

Ich meine: Welcher normale Mensch reiht eigentlich Baumstämme im Wald im rechten Winkel auf? Oder putzt mitten im Winter die Garage?

Ich glaube nicht, dass Bush von seinen Beratern darauf hingewiesen wurde, dass die Einwohner von Mainz in Wahrheit durch eine Polizeiverordnung dazu gezwungen wurden, entlang der Fahrtroute des US-Präsidenten ihre Garagen gefälligst leer zu räumen, die Tore zu öffnen und sich keinesfalls am Fenster zu zeigen.

Woran sich natürlich die Frage anschließt, ob nicht vielleicht die Berater des Präsidenten die deutsche Polizei zu dieser Verordnung genötigt haben.

Vielleicht war die Monarchie doch gar nicht so schlecht. Von Wilhelm II., dem letzten württembergischen König, erzählen sich die Leute noch heute, dass er jeden Morgen, bekleidet in Mantel und Hut, begleitet nur von seinen zwei Dackeln, durch den öffentlichen Schlosspark von Stuttgart spaziert sei und die Menschen ihn mit „Grüß Gott, Herr König“ begrüßt hätten.

In der bis heute in baden- württembergischen Schulen auswendig gelernten „Schwabenhymne“ (Justinus Kerner, 1786 bis 1862) wird ein gewisser Herzog „Eberhard im Barte“ besungen, der arm an Schätzen war, aber geliebt vom Volk.

Wenn meine Schwiegermutter wieder heimfährt, winken wir ihr noch bis zur übernächsten Kreuzung nach. Es dauert zwei Tage, dann sieht die Wohnung wieder aus wie früher.

Fotohinweis: PHILIPP MAUSSHARDT KLATSCH Fragen zum Irrsinn? kolumne@taz.de Montag: Jenni Zylka über PEST & CHOLERA