UNTERM STRICH

Für die meisten war Hanne Hiob first and foremost „Brechts Tochter“; dabei brillierte sie selbst als Schauspielerin, Regisseurin und politische Künstlerin. Am Dienstag ist die Brecht-Interpretin im Alter von 86 Jahren in München gestorben. Mit ihrer fragilen Zärtlichkeit, ihrer herben Sensibilität und koboldhaften Komik ähnelte sie nicht nur ihrem Vater, sondern auch dessen geistigen Geschöpfen, die sie reihenweise verkörperte: von der „Heiligen Johanna der Schlachthöfe“ in der Gründgens-Inszenierung (1959) bis zur „Unwürdigen Greisin“ in einer DDR-Verfilmung (1985). Dabei hatte ihr Vater sie nicht gerade zur Schauspielerei ermuntert: „Du bist genauso wenig für die Bühne geeignet wie ich.“ Obwohl Brecht die zweijährige Hanne und ihre Mutter Marianne Zoff 1925 verlassen hatte, suchte Hanne Hiob zeitlebens seine Nähe. 1976 verließ Hiob das Theater und ging auf die Barrikaden: gegen die „Hai“-Society und die Wahl Carl Carstens zum Bundespräsidenten. Für ihren „Kampf gegen Faschismus und Rechtsradikalismus“ erhielt sie 2005 den Aachener Friedenspreis, doch eine Würdigung ihrer schauspielerischen Leistungen blieb aus. „Den Haien entrann ich / Die Tiger erlegte ich / Aufgefressen wurde ich / Von den Wanzen“, hat Hanne Hiob einmal über sich gesagt – in Brechts Worten.