Vorauseilender Bürgerentscheid

An diesem Sonntag stimmen die Wählerinnen und Wähler in Mülheim/Ruhr über ein Privatisierungs-Verbot ab. Bürgerinitiativen, Attac und Grüne sind für das Begehren. CDU, SPD und FDP lehnen es ab

VON MARTIN TEIGELER

Mülheim trifft am Sonntag eine Zukunftsentscheidung. Nach monatelangem Streit und einem erfolgreichen Bürgerbegehren steht die Frage zur Abstimmung, ob die Revier-Kommune künftig städtische Einrichtungen privatisieren darf. „Stopp dem Ausverkauf“, fordert ein Bündnis aus Bürgerinitiativen, Attac, Grünen und anderen Lokalgruppen. Für einen Erfolg benötigt der Bürgerentscheid eine Mehrheit der Abstimmenden und gleichzeitig auch die Zustimmung von 20 Prozent aller Stimmberechtigten. Mindestens 24.000 Mülheimer müssen mit „Ja“ stimmen.

„Das Recht auf preiswerte Versorgung mit Strom, Wasser und Wärme ist gefährdet“, so Eugen Kalff, Sprecher des Bürgerentscheids, zur taz. Die geplante Privatisierung der Altenheime und bereits erfolgte Teilprivatisierungen von städtischen Aufgaben wie der Wasserversorgung zeigten dies. Die Mehrheitsanteile an der Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft in Mülheim waren im Jahr 2002 von RWE aufgekauft worden.

„Bisher hat es keine wirklichen Privatisierungen gegeben“, sagt dagegen Mülheims SPD-Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld. Sie seien auch nicht in Planung. „Die Frage ist aber, ob wir bei öffentlichen Aufgaben generell auf privates Kapital und Wissen verzichten“, so Mühlenfeld. Da sei sie strikt dagegen. CDU und FDP wollen nicht zustimmen, weil so auch Kooperationen mit Unternehmen wie „public-private-partnership-Projekte“ (ppp) verhindert würden.

Die Initiative „Mehr Demokratie“ lobte das Mülheimer Abstimmungsverfahren gestern als vorbildlich. Erstmals hätten die Bürger einer Stadt vor einem Bürgerentscheid ein umfassendes Abstimmungsheft erhalten. Auf neun Seiten nehmen darin die Initiatoren des Bürgerbegehrens, die Mülheimer Oberbürgermeisterin und die Ratsfraktionen Stellung zur Abstimmungsvorlage. Auch für eine angemessene Zahl von Abstimmungslokalen sei gesorgt. „Mülheim beweist, dass Bürgerentscheide nicht der billige Jakob der Gemeinden sein müssen“, so Daniel Schily, Sprecher von „Mehr Demokratie“.