Der Weg ist das Ziel

Am Aschermittwoch fing alles an: Seit gut zwei Wochen testen Evelyn und Ralph Busch mit ihren Kindern die ökumenische Fastenaktion „Sieben Wochen nur von hier“ auf ihre Alltagstauglichkeit

von Anja Humburg

Vor ein paar Jahren gab es im Supermarkt Milch im Schlauch zu kaufen. Geplatzte Beutel im Einkaufskorb verdrängten die Idee wieder. Neuerdings gibt es Apfelsaft im Plastiksack – fünfliterweise und handlich verpackt im Pappkarton. Ralph Busch gefällt die Innovation aus Jork. Auf dem Wochenmarkt in Neugraben kauft der Neuwiedenthaler die vitaminreiche Zapfanlage zum Einführungspreis von 6,50 statt 7 Euro.

Es ist Samstagvormittag. Kalter Februarwind weht Larissa (10) und den Zwillingen Celine (7) und Robin (7) um die Ohren. Zum Glück scheint die Sonne, in die die Kinder ihre rotbackigen Gesichter halten. Die drei fahren oft mit, wenn Vater Ralph und Mutter Evelyn am Wochenende zum Einkaufen in den südelbischen Hamburger Vorort fahren.

Seit gut zwei Wochen, genauer gesagt: seit Aschermittwoch, fehlt jedoch etwas auf der Einkaufsliste von Familie Busch. Keine Tomaten, keine Gurken, keine Paprika – dafür stehen Grünkohl, Porree und Möhren auf dem Zettel. Die Buschs machen mit bei der Aktion „Sieben Wochen nur von hier“.

Eine Entdeckungsreise durch die Heimat

Ein Fastenprojekt der ökumenischen Basisinitiative – ein Zusammenschluss von VerbraucherInnen aus Hamburg und Schleswig-Holstein –, initiiert von der Biologin Astrid Matthiae. Die etwa 50 Teilnehmenden – unter ihnen viele Familien und die Bewohnerin eines Altenheims – verzichten auf weit Hergekarrtes und im Treibhaus Gezüchtetes und setzen stattdessen auf Produkte aus der Region. „Möglichst im Radius von 100 Kilometern gewachsen,“ schränkt Matthiae das Spektrum ein. Auch das Viehfutter sollte aus der Gegend stammen und dazu nicht genmanipuliert sein. „Der Wochenmarkt ist die erste Anlaufstelle“, rät Matthiae zum guten Gelingen. „Supermärkte haben oft eine geringe Einkaufssouveränität. Da kommt der Joghurt aus dem Allgäu, obwohl das Milchland Schleswig-Holstein vor der Tür liegt.“

Die Buschs schlendern von Stand zu Stand. Vorbei an frisch Gebackenem, an Gemüse aus Bardowick und Obst aus Jork. Fischhändler preisen ihre Spezialitäten aus Ost- und Nordsee an. Für die Familie ist es eine kleine Entdeckungsreise durch die eigene Heimat. „Was sind eigentlich Pastinaken?“ „Dürfen wir den Brokkoli kaufen?“ „Woher kommt das Hühnerfutter?“ Auf manche Fragen wissen selbst einige Händler keine Antwort.

Für Ralph Busch bedeutet der Verzicht auf Produkte, die zu dieser Jahreszeit hier nicht wachsen, zugleich auch Gewinn: „Auf dem Markt sehe ich, was ich kaufe. Ich kann nachfragen, auch wenn es mühsam ist. Wer macht das schon bei Aldi?“ Besonders die Frische und das große Spektrum überzeugen den 57-Jährigen. Da sind „die Preise nicht so tragisch. Wir kaufen ja nicht alles von hier. Getränke zum Beispiel holen wir auch im Supermarkt.“ Damit bleibt der zusätzliche Zeitaufwand relativ gering. „Und ein Spaziergang mit der Familie über den Markt macht schließlich auch Spaß“, ergänzt Evelyn Busch (42). Allein sei es wohl viel schwerer.

„Das Nutella wird bei uns zu Hause immer alt“

„Ich habe meinen Kindern erklärt, dass wir unsere Ernährung regional und saisonal ausrichten, damit wir die Umwelt schonen, helfen, Transportwege zu verkürzen und unseren Bauern eine Chance geben“, erzählt Evelyn Busch. „Wir sagen nicht ‚Ihr dürft aber nicht!‘, sondern lassen den Kindern ihren eigenen Kopf.“ Der orientiert sich sowieso eher am Gesunden. „Das Nutella wird bei uns zu Hause immer alt,“ ruft Larissa. Sie lässt sich lieber vom Fleischer ein Würstchen schenken. Oder eine Möhre von der Bardowicker Gemüsehändlerin.

Hinter der Aktion stehen evangelische und katholische Gemeinden. Aber für das Lehrerehepaar spielt „der kirchliche Hintergrundgedanke bei dieser Aktion keine große Rolle“, sagt Evelyn Busch. „Wir kaufen schon lange regelmäßig auf dem Markt ein. Jetzt sind wir nur konsequenter und aufmerksamer.“

Die Familie spaziert weiter, mittlerweile bepackt mit zahlreichen, gut gefüllten Jutetaschen. Ardestorfer Heide-Kartoffeln, Jorker Äpfel und Birnen, Vierländer Feldsalat, hausgemachte Himbeermarmelade und ein paar getrocknete Schweineohren für die zwei Hunde liegen im Einkaufskorb. „Heute Abend machen wir Rippchen mit Kartoffeln und Chinakohl,“ verrät Familienkoch Ralph Busch.

Das Ehepaar hat einen Kompromiss zwischen regionaler Beschränkung, Zeit- und Kostenaufwand und dem schnellen Weg in die Discounter gefunden. Das mache das Projekt für die Familie alltagstauglich, denn es sei wohl kaum möglich, sich zu 100 Prozent regional zu ernähren, schließt Evelyn Busch aus ihrer Erfahrung. „Schließlich wollen wir trotzdem noch Kaffee trinken, und der kommt nun wirklich von weit her.“