Mehr Berge als Strand

Der Saale-Radweg gehört zu den anspruchsvollsten in den deutschen Mittelgebirgen. Er kombiniert Kultur und Natur in einer Dichte, die unerquicklich lange Etappen von selbst verbietet

von Gernot Knödler

Mit einer Sieben-Gang-Nabenschaltung macht der Saale-Radweg nur begrenzt Spaß – zumindest mit Zelt und Kocher im Gepäck. Denn die Saale überbrückt auf ihrem 400 Kilometer langen Weg von der Quelle bei Hof bis zur Mündung in die Elbe südlich von Magdeburg rund 500 Höhenmeter. Auch dem, der der Fließrichtung folgt, bleiben heftige Anstiege nicht erspart, weil der Radweg nicht ständig am Ufer entlangführt, sondern die Höhen beidseits der Flusses erklimmt. Doch wer ihm folgt, wird belohnt mit einer ausgewogenen Mischung landschaftlicher und kultureller Sehenswürdigkeiten – exzellente Küche – deutsch und deftig – inklusive.

Die Tour lässt sich entweder in Münchberg bei Hof im Thüringer Wald oder in Barby, 40 Kilometer elbaufwärts von Magdeburg beginnen – beides mit der Bahn zu erreichen. An der Strecke liegen so viele Dome, Burgen, Talsperren, Bergwerke und Museen, die geeignet sind, Reisende aufzuhalten, dass gut und gerne 14 Tage für die Saale veranschlagt werden dürfen.

Wer an der Mündung startet, kann sich langsam einradeln und an die zunehmenden Anforderungen der Strecke gewöhnen. Ein Start in Münchberg beginnt mit einem heftigen Anstieg zur Saalequelle und einem ständigen, teils sehr steilen und manchmal steinigen Auf und Ab. Die Abfahrten sind aber steiler und länger als die Anstiege. Nach ein paar Tagen wird die Reise immer gemütlicher.

Kultur ...

Der Saale-Radweg führt tief ins Land der Dichter und Denker. Jean Paul ist in Hof zur Schule gegangen, Goethe führten die Geschäfte seines Ministeramtes stromauf-stromab. In einem der drei Dornburger Schlösser zwischen Jena und Naumburg ist ein Stück Fensterrahmen konserviert worden, auf das er seine Wetterbeobachtungen notierte. An der Universität in Jena lehrte Schiller, die Gebrüder Schlegel führten hier mit ihren Frauen einen offenen Haushalt, in dem unter anderen Ludwig Tieck und Novalis verkehrten. Die Erinnerung daran ist im „Romantiker-Haus“, dem ehemaligen Wohnhaus des Philosophen Johann Gottlieb Fichte zu besichtigen. Sterbezimmer und Grabmal des schwindsüchtigen Novalis oder das Haus, in dem der Barockkomponist Heinrich Schütz seinen Lebensabend verbrachte, sind in Weißenfels erhalten.

Stromabwärts liegt Merseburg, dessen Domkapitel im vergangenen Jahr sein tausendjähriges Jubiläum feierte und in dessen Bibliothek die Merseburger Zaubersprüche aufbewahrt sind – das älteste Prosadokument der deutschen Sprache. Stromaufwärts in Naumburg steht mit dem Dom St. Peter und Paul eines der bedeutendsten Denkmale abendländischer (Bau)kunst, berühmt nicht zuletzt durch die zwölf Stifterfiguren aus dem 13. Jahrhundert.

Auf den Höhen über Jena kann man, etwas abseits des Weges, die Doppelschlacht von Jena und Auerstedt von 1806 nachvollziehen. Das Diorama im kleinen Museum informiert darüber, wie die Niederlage der Preußen gegen Napoleon zustandekam. Draußen auf den Feldern markieren Gedenksteine die Positionen der Truppen, die sich hier aus nächster Nähe zusammenschossen. In der Aula der Uni ist das berühmte Gemälde vom Auszug der Jenaer Studenten in den Freiheitskrieg zu sehen. Der Pförtner schließt gerne auf.

„Burgen stolz und kühn“, wie sie dem Volkslied zufolge „an der Saale hellem Strande“ stehen, gibt es entlang des gesamten Flusses. Das Lied inspiriert haben sollen die beiden dicht beieinander stehenden Festungen Rudelsburg und Burg Saaleck bei Bad Kösen. Der Hochheidecksburg hoch über dem malerischen Rudolstadt wurde Anfang des vorigen Jahrhunderts ein schwungvoller Marsch gewidmet. In Rudolstadt sind sich Goethe und Schiller zum ersten Mal begegnet. Die Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt verwandelten ihr Provinznest eine Zeit lang in ein kulturelles Zentrum. Das Weimarer Hoftheater gab Gastspiele im Theater, Wagner, Liszt und Paganini musizierten hier.

... und Kulinarisches

Bei Saalfeld endet das Mittelgebirge. Statt durch enge Schluchten fließt die Saale durch breite, liebliche Täler. Aus dem dünn besiedelten, wilden Gebirge gelangt der Radelnde in eine Landschaft, die von Siedlungen, auch Städten dominiert ist. Dennoch führt der Weg immer wieder durch Naturschutzgebiete – durch sumpfige Auen und Wälder. Mit dem Autoverkehr wird der Radler selten konfrontiert.

Kulinarisch hat das Mittelgebirge mehr zu bieten als das Flachland – zumindest für den, der Hausmacherkost, insbesondere Wurst nicht verschmäht. Nahe der Unstrut-Mündung wäre überdies Wein zu kosten, etwa bei einem Besuch des Staatsweingutes Kloster Pforta.

www.saale-radwanderweg.de. Trotz Beschilderung ist es empfehlenswert, eine Karte mitzunehmen, etwa das Radtourenbuch von bikeline. Campingplätze gibt es nicht überall. Es empfiehlt sich, Hotels und Pensionen wenigstens ein paar Stunden im Voraus zur buchen