Wahlkampf vor der blauen Wand

INTERNET Im Bundestagswahlkampf versuchen die Parteien, Obamas Online-Kampagne zu kopieren – manchmal wirken diese Ideen ziemlich altbacken

Berlin taz | Als Barack Obama vor den amerikanischen Präsidentschaftswahlen im Herbst zu seiner großen Web-Offensive ausholte, machte sich manch einer lustig: Bald, so hieß es rund ums Weiße Haus, würden alle Computerfachleute des Landes an der Kampagne mitarbeiten. So groß waren die Anstrengungen des demokratischen Kandidaten, neue Wählerschichten über das Netz zu erreichen.

Ganz so weit ist es bei den Parteien in Deutschland noch nicht. „Sieben Leute arbeiten bei uns an der Online-Kampagne“, meint der CDU-Mann Stefan Hennewig, „und dann noch ein Pool von studentischen Mitarbeitern.“ In der Stunde verdienten diese „7,70 Euro bis 8,70 Euro“, sagt er. Hennewig muss es wissen: Er ist eigentlich „Leiter des internen Managements“ der CDU. Nebenbei betreut er die Web-Kampagne der Konservativen.

Auch bei den anderen Parteien ist der Personalaufwand überschaubar. Acht Leute sind es in der SPD, „aber viele Arbeitsfelder überschneiden sich“, sagt Sebastian Reichel, der für den Online Wahlkampf verantwortlich ist. Wie seine Kollegen ist sich Reichel sicher: Der Wahlkampf 2009 findet im Netz statt.

Unterstützung dafür liefert ein Internetgigant selber – nämlich Google. Nach deren Studie ist das Internet bei den 14-29-Jährigen mit 36 Prozent nach dem Fernsehen das am häufigsten genutzte Medium für politische Informationen – noch vor Zeitung und Radio.

Auch Reichel sieht deshalb für die Politik einen Trend: „Seit 1998 wird das Internet immer wichtiger.“ Im Netz achte man zudem darauf, junge Menschen dort anzusprechen, wo sie ihre Freizeit verbringen: in Social Communities wie StudiVZ oder Youtube. „Wir stellen uns ja auch nicht mit dem Wahlkampfstand vor die Parteizentrale, sondern vor den Supermarkt“, argumentiert Reichel. Daher gibt es mittlerweile von vielen Parteien eigene Videokanäle auf Youtube oder den eigenen Webseiten.

Diese kommen dabei nicht immer modern daher. „Wir stellen Politiker vor eine blaue Wand und lassen sie 60 Sekunden sprechen“, sagt Mark Seibert von der Partei Die Linke. „Wir dachten auch nicht, dass es funktioniert“, wundert er sich. Aber weil die User die Sekunden im Bild runterlaufen sähen, „wissen sie auch, dass es bald vorbei ist“. Auch ansonsten sei die Seite der Linken „ganz bewusst trocken, spröde und textlastig“, Die Linke sei halt „sachorientiert“.

Benjamin Minack, der die Grünen beim Online-Wahlkampf berät, legt Wert auf die besonders Rolle der Ökopartei bei Internetaktivitäten. „Wir sind Vorreiter darin, die User ernst zu nehmen“, sagt Minack, die Grünen seien schon vor der Europawahl mit der Aktion „72 Stunden wach“ drei Tage lang rund um die Uhr für Fragen der Wähler erreichbar gewesen. Man versuche nun, alle Möglichkeiten des Internets zu nutzen, um mögliche Wähler zu erreichen. „Dies kann auch über eine Anzeige in einer Online-Stellenbörse sein“, sagt Minack.

Der Linke Seibert will als Konsequenz nun auch das Engagement verstärken: „Ich werde sofort unseren Bundesgeschäftsführer anrufen, um mehr Leute zu bekommen.“ GORDON REPINSKI