Pappsüß, aber legal

Der Streit um das gezuckerte Alkoholgetränk „Schwarzer Abt“ ist entschieden. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschied: Das Neuzeller Gebräu darf „Bier“ heißen

VON STEFFEN GRIMBERG

Das Dorf Neuzelle liegt direkt an der polnischen Grenze, zu seinen Sehenswürdigkeiten gehören das einzig erhaltene Barockkloster Brandenburgs und Helmut Fritsche. Dem Schrank von einem Seniorchef gehört wiederum die Neuzeller Klosterbrauerei, und die lässt nach Meinung eingefleischter Biertrinker derzeit das Allerheiligste wackeln. Das Reinheitsgebot von 1516.

Wahr ist: Neuzelle hat ein Kloster, das stets so arm dahinvegetierte, dass der Stuck in dieser schon bald nach der Reformation so unwirtlichen wie protestantischen Gegend nicht echt, sondern nur auf Holz gemalt ist. Und ein Bier namens „Schwarzer Abt“, dessen Geschmack – nun ja: Man setzt eben Zucker zu, „zur Geschmacksabrundung“, wie Fritsche immer betont hat. „Es sieht aus wie Bier, es schmeckt wie Bier und es enthält Alkohol“ ist ein anderer der Fritsch’schen Lieblingssätze.

So hat es jetzt auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gesehen und am Donnerstag das Land Brandenburg angewiesen, dem „Schwarzen Abt“ eine Ausnahmegenehmigung im Sinne des deutschen Biergesetzes nebst Bierverordnung zu erteilen. Auf den Flaschen aus Neuzelle darf wieder „Bier“ stehen.

Und das ist auch gut so. Denn es bekommt Bundesgerichten wohl, wenn im Saal mal bierselige Stimmung aufkommt. Dann versuchen sich Vorsitzende Richter in frommen Trinksprüchen, die sie Goethe klauen („Es ist mit der Jurisprudenz wie mit dem Bier; das erste Mal schaudert man, doch hat man’s einmal getrunken“). Und pochen auf die Unbefangenheit von Justitia: Keiner der fünf Juristen hatte „praktische Erfahrung“ mit dem „Schwarzen Abt“, was dem Urteil auch nur hatte helfen können.

Aber gestritten wurde hier schließlich nicht über Geschmack, sondern Wettbewerb: Böses Bier aus dem Ausland, das neben Hopfen, Hefe, Malz und Wasser noch viel fiesere Dinge als Zucker enthält (siehe Kasten), darf hierzulande schließlich schon seit 1987 als Bier verkauft werden. Bier-Deutschland ist deshalb nicht aus der EU ausgetreten. Und auch das Reinheitsgebot wird jetzt nicht vom „Schwarzen Abt“ geholt, selbst wenn sich eine ängstliche Fraktion im Braugewerbe derzeit so aufführt. Es ist eben, wie auch das Gericht ausführte, kein Gesetz, sondern „diene vielmehr der Traditionspflege und einem bestimmten Produktionsniveau“ und lässt sich passabel als Marketing-Instrument ausnutzen: Diverse Brauereien erklärten gestern ungefragt, ungebrochen am Reinheitsgebot festzuhalten, komme, wer da wolle. Dass aber auch die Zutatenliste von 1516 so einiges möglich macht, sagten sie natürlich nicht.

„Badebier“ zum Beispiel, in dem Herr Fritsche zu Reklamezwecken schon mal höchstpersönlich planscht (unser Bild). Es kann bedenkenlos nach Verrichtung und Abkühlung ausgetrunken werden. Zumindest wenn der Insasse seinem ganz eigenen Reinheitsgebot genügt.

Sorgen um Fritsche, der sich mit dem widerborstigen Brandenburger Landwirtschaftsministerium seit zehn Jahren den für Neuzelle äußerst werbewirksamen Bierstreit geliefert hatte, braucht man sich also nicht zu machen. Die Zeiten, in denen die kreativen Neuzeller ihre Etiketten mit vier Punkten anstelle der magischen vier Buchstaben bedruckten oder eine Charge „Bier“ hintendrauf schon mal mit einer „Brandenburger Amtsposse“ verziert wurde, sind zwar vorbei.

Aber der Ex-AEG-Manager und Treuhand-Privatisierer Fritsche, der 1993 den ehemaligen DDR-Betrieb übernahm, hat nach dem Badebier längst neue Kreationen am Start: „Bier ist gut, sagt der Arzt“, damit warb vor bald 50 Jahren schließlich schon der Deutsche Brauer-bund. Neuzelle zeigt jetzt, dass Wellness und Bier zusammengehören: Seit einem Jahr gibt es ein „Anti-Aging Bier“ mit Kurbadsole, Spirulina-Algen und dem Flavonoid Quercetin, das auch in Zwiebeln vorkommt. Allein: „Es ist ein alter Wunsch der Menschheit, ewig jung zu bleiben. Das allerdings vermag unser Bier nicht zu leisten“, schreibt Fritsche in einem Beitrag für „Die Biere des Ostens“ (L&H Verlag Hamburg, 11,80 Euro). Glück gehabt. Erst seit diesem Monat im Rennen ist das „Marathonbier“. Ihm ist L-Carnitin, eine als Fatburner gehandelte Aminosäure, beigemischt.

Dann doch lieber Zucker!