Gemeinsames Niveau gesucht

Die Richtlinie, die Dienstleistungen innerhalb der EU liberalisieren soll, ist umstritten. Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz legt Kompromissvorschlag vor

BERLIN taz ■ Erstmals schlägt das EU-Parlament Änderungen zur Dienstleistungsrichtlinie auf dem europäischen Binnenmarkt vor. Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz hat gestern ein Arbeitspapier vorgelegt, das detaillierte Forderungen zur Änderung der Richtlinie nennt. Kern des Papiers ist die Forderung nach dem Zielland- und Gemeinschaftsprinzip.

Ziel der Dienstleistungsrichtlinie, so wie Frits Bolkestein sie in der alten EU-Kommission vorgeschlagen hatte, ist die Liberalisierung der Dienstleistungen in Europa. Ihr Kern: das Herkunftslandprinzip. Danach werden Dienstleistungen nach den Regeln des Herkunftslandes erbracht. Wenn also ein deutscher Auftraggeber in Helsinki mit einem spanischen Architekten und einer polnischen Baufirma arbeitet und es geschieht ein Unfall, gibt es ein Problem, so Evelyne Gebhardt, Obfrau des Ausschusses. Denn der Richter in Helsinki müsste – nach dem Herkunftslandprinzip – polnisches, spanisches und deutsches Recht anwenden. Des Weiteren könne ein Unternehmen seine Angestellten zu den Bedingungen eines Landes beschäftigen, in denen es nur einen Briefkasten stehen hat. „Die schwarzen Schafe unter den schwarzen Schafen werden das tun“, so Gebhardt. Das würde einen Wettbewerb zwischen den einzelnen Ländern der EU bedeuten, der zu niedrigeren Sozial- und Umweltstandards führen könne. Denn für die Kontrolle der Regeln ist jeweils der Staat verantwortlich, in dem das Unternehmen sitzt – und nicht der, in dem die Dienstleistung erbracht wird. Daher hat der Ausschuss Änderungsvorschläge erarbeitet.

In erster Linie soll das Herkunftsland- durch das Gemeinschaftsprinzip ersetzt werden. Das heißt: gemeinsame Standards für alle Mitgliedstaaten. Außerdem soll das Ziellandprinzip gelten. Im Fall des Unfalls auf dem Bau in Helsinki könnte der Richter dann finnisches Recht anwenden.

Leidtragende der Richtlinie, so wie sie bisher ist, sind laut Gebhardt vor allem kleinere Unternehmen. Da diese nicht das Kapital hätten, sich einfach woanders niederzulassen, würde es zu einem „Kahlschlag“ bei kleineren Unternehmen kommen.

Im März soll es das offizielle Papier des Ausschusses geben, im Juni könnte dann die erste Lesung im EU-Parlament beginnen. Gebhardt rechnet sich gute Chancen für ihren Vorschlag aus: „Leute, die sagen, sie sind für diese Richtlinie, so wie sie jetzt ist, die muss man suchen. Ich habe sie noch nicht gefunden.“

Dass die Dienstleistungsrichtlinie kommt, ist unbestritten. Schließlich, so Gebhardt, könne es nicht sein, dass Touristenführer in Rom auch römischer Herkunft sein müssen. Von solchen Regelungen gebe es zahlreiche innerhalb der EU, die nur durch die Richtlinie beseitigt werden könnten. SVENJA BERGT