Grüne im Schnellwaschgang

Beeindruckt von den eigenen Beifallsstürmen für Joschka Fischer winken Nordrhein-Westfalens Grüne ihr Programm für die Landtagswahl durch. Kritisches ist nur noch sehr, sehr leise zu hören

AUS KÖLNANDREAS WYPUTTA

Kritik war früher. Durch den Auftritt von Außenminister Joschka Fischer wie befreit und erleichtert haben Nordrhein-Westfalens Grüne ihr Wahlprogramm im Schnelldurchlauf verabschiedet – der eigentlich zweitägig angelegte Kölner Landesparteitag endete mangels Diskussion bereits am Samstag Abend.

Dabei liefert die rot-grüne Koalition in Düsseldorf genug Stoff für Kontroverses, fühlen sich besonders viele Parteilinke etwa durch Hartz-Gesetze, den Ausbau der Urananreicherungsanlage Gronau und die drohenden Castor-Transporte nach Ahaus oder die Erweiterung der Flughafen provoziert. Doch die Wenigsten wollten die nach Fischers Rede hoffnungsvolle Stimmung im Vorwahlkampf trüben, Nachdenkliches war nur leise im Foyer des Kölner Gürzenichs zu hören. „Ich hätte nie gedacht, dass wir Bündnisgrüne schon so weich gekocht sind“ – eine Delegierte versucht, ihren Frust wegzuflüstern.

Beispiel Anti-Atompolitik: Hinten links sitzen die Delegierten aus dem Münsterland, viele protestieren mit ‚Stopp UUA‘-Stickern gegen den von NRW-Energieminister Axel Horstmann (SPD) forcierten Ausbau der Urananreicherungsanlage Gronau. „Aufruf und Protest“ soll auch ein Plakat signalisieren, dass während Fischers Rede kurz hochgehalten wurde. „Wir sind sehr enttäuscht“, sagt Eva-Mira Brökelmann aus dem Kreisverband Warendorf. „Wir befürchten, dass die Atompolitik ganz ans Ende geschoben wird.“

Von „Verarschung“ spricht auch Burkhard Helling – die für Sonntag angesetzte Rede des Vorsitzenden der Ahauser Anti-Atom-Initiative fiel schlicht aus. „Ich hätte die Grünen gefragt, wie lange sie sich noch von der SPD vorführen lassen wollen“, ärgert sich Helling. „Wer angesichts der Verdreifachung der Atombrennstoff-Produktion in der Gronauer UAA noch von Atomausstieg spricht, muss blind sein.“ Dagegen hatte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Werner Bischoff, noch am Freitag über „Investitionen, Arbeitsplätze und 15 Millionen Euro Gewerbesteuer“ gejubelt. „Die Grünen sollten die Koalitionsfrage stellen“, meint Helling.

Stattdessen denken die Grünen über eine Klage gegen die Genehmigung des NRW-Energieministeriums nach. „Wir lassen das juristisch prüfen“, sagt Rüdiger Sagel, atompolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion. Der UAA-Betrieb sei nicht verantwortbar, finden auch die Landesparteichefs Britta Haßelmann und Frithjof Schmidt: „Der Ausbau widerspricht dem Geist des Atomausstiegsgesetzes.“

Mögliche Koalitionsverhandlungen mit der SPD dürften damit spannend werden – auch in den Bereichen der Verkehrs- und der Arbeitsmarktpolitik: Die Grünen haben sich in ihrem Wahlprogramm eindeutig gegen jeden weiteren Flughafenausbau festgelegt. „Nordrhein-Westfalen verfügt über eine mehr als ausreichende Flughafen-Infrastruktur. Weitere Ausbaumaßnahmen sind weder ökologisch noch ökonomisch zu rechtfertigen“, heißt es. „Und das gilt auch nach der Wahl“, freut sich Verkehrsexperte Oliver Keymis.

In Zugzwang bringen dürfte die grünen Minister Michael Vesper und Bärbel Höhn, die sich passend zum Parteitag in die älteste Jeans, das älteste Kostüm geworfen hatten, auch die wachsende Unzufriedenheit der Basis mit den Hartz-Gesetzen. In den Hartz-Arbeitsgemeinschaften vor Ort herrsche „pures Chaos“, Nordrhein-Westfalens Minister für Wirtschaft und Arbeit und wirke mit seinem Zusatzjob als SPD-Landeschef überfordert, klagen viele Grüne: „Leider wird Schartau einer persönlich sehr sympathischen Fehlbesetzung.“

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