Freiheit für die Kinderoper!

Das Drama um den Abriss der Kölner Oper hat Aachener Architekturstudenten zu phantasievollen Alternativentwürfen inspiriert. Die Arbeiten sind jetzt im Museum für Angewandte Kunst zu sehen

VON JÜRGEN SCHÖN

Abriss oder Sanierung, Sanierung oder Abriss: Die Zukunft der Kölner Oper ist ein Politikum. Im vergangenen Sommer schien die Stimmung – viel eindeutiger als heute – gegen den Erhalt der maroden Kulturstätte am Offenbachplatz gerichtet. Da stellte der Aachener Architekturprofessor Jan Pieper seinen Studenten eine Aufgabe zur (indirekten) Rettung des Hauses: Für die Kinderoper, die derzeit noch das Opernfoyer zu- und verstellt, sollten sie ein neues Haus entwerfen und so den Blick auf Schönheit und Bedeutung des Riphahn-Bau frei machen. Willkommener Nebeneffekt: Auch der öde und von den Kölnern nicht angenommene Offenbachplatz wird aufgemotzt. Was acht Studentinnen und Studenten dazu einfiel, ist noch bis 6. März im Museum für Angewandte Kunst zu sehen: Phantasievolle Entwürfe, realistisch und allemal wert, von den verantwortlichen Stadtplanern als Anregung ernst genommen zu werden.

Mit Vorgaben für ihre Entwürfe mussten sich die Studenten nicht quälen, auch nicht mit finanziellen. Vorausgesetzt wurde lediglich die Annahme, die neben dem Offenbachplatz verlaufende Nord-Süd-Fahrt sei in einem Tunnel verschwunden. Christina Albrecht nutzt den gewonnen Platz zwischen WDR und Schildergasse am radikalsten (siehe Foto links oben). Sie „faltet“ über der versunkenen Stadtautobahn einen breiten, begrünten Berg-und-Tal-Weg auf, unter dem sich Geschäfte und Wohnungen befinden. Und natürlich die Kinderoper, die gegenüber dem Riphahn-Bau wie ein knallroter Luftballon in den Offenbachplatz hineinragt. „Die Kölner kennen diesen Teil der Innenstadt doch gar nicht“, erklärt sie und hofft: „Beim Spaziergang auf meinem grünen Band können sie ihn neu entdecken.“

Etwas konventioneller sind andere Entwürfe, dürften für die Kölner aber trotzdem gewöhnungsbedürftig sein. Jörg Werner etwa träumt von einer „Offenbach-Passage“. Dafür müssten die beiden Häuserblöcke zwischen 4711-Haus und dem neuen Diözesanmuseum abgerissen werden. „Das entspräche auch eher dem alten Straßenplan der Stadt“, sagt er. Sein mehrstöckiger Glaspalast mit Längs- und Querpassagen beherbergt im Erdgeschoss Geschäfte – „zur Finanzierung des Projekts“ – darüber die Kinderoper. An die „Funktionalität“ des Riphahn-Baus will Lars Kratzheller mit seiner „Theaterbox“ anknüpfen: Ein großer, fensterloser Kubus über dem südlichen Nord-Süd-Tunnel, an dessen Fassade rund 5.000 Leuchtkörper angebracht sind, über die zum Beispiel Theateraufführungen nach außen übertragen werden können (siehe Foto links unten). Die Werkstätten des Kindertheaters sollen im restaurierten Café-Gebäude untergebracht werden.

Anne Höing träumt dagegen von einem großen Glaskubus, der freie Sicht auf Werkstätten, Bar und Foyer gewährt und in den das Theater eingehängt ist (siehe Foto rechts oben). Dass der Offenbachplatz auch ohne Tieferlegung der Autoschneise attraktiver werden kann, zeigt beispielsweise Turgut Dhonan (siehe Foto rechts unten). Er bezieht sich wie Riphahn auf konstruktiv-sachliche Elemente und entwirft am Westrand der Nord-Süd-Fahrt einen flachen „monolithischen Betonkörper“, der sich aus gleichgroßen Kuben zusammensetzt, und als „Geräuschfilter“ den Offenbachplatz gegen den Autolärm schützt. Mit dem Theater selbst geht er bis zu drei Geschosse in die Tiefe.

Alle Entwürfe geben Kölns Innenstadt ein neues Zentrum, das Kommerz und Kultur zwischen den Einkaufszonen Breite Straße und Schildergasse vereint,Neues bringt und Altes erhält. „Die Riphahn-Oper darf als Symbol für den Wiederaufbau nicht abgerissen werden“, mahnt Pieper-Assistent Jörg Schindler. Und er weist auf einen in der öffentlichen Diskussion um die Zukunft des Gebäudes bislang vernachlässigten Aspekt hin: „Das Opernpublikum blickt nach Westen“. Das entsprach der Westorientierung der damaligen Bundesrepublik. Dazu passt, dass Wilhelm Riphahn auch die Gebäude für die Kölner Kulturinstitute „Institut Français“ und „British Council“ entworfen hat.