Das Ringen um die Symbole

Vor dem Meisterschaftsfinale hatten die Ringer des Luckenwalder SC die Gemüter bewegt. Als Ost-Aschenputtel oder Stasi-Club, je nach Sichtweise. Nach der Niederlage gegen Serienmeister VfK Schifferstadt richten sich die Blicke wieder auf den Sport

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Die märchenhaften Berichte vom ostdeutschen Wunder müssen in den Schubladen bleiben. Denn die Ringer des Luckenwalder SC haben es nicht geschafft. Die starken Männer aus der Kleinstadt im Fläming unterlagen im Finale um die deutsche Mannschaftsmeisterschaft dem VfK Schifferstadt mit 21 zu 30,5. Den ersten Kampf hatte die Luckenwalder knapp gewonnen, im Rückkampf wurden sie gnadenlos niedergerungen. Die Ringerwelt bleibt fest in den Händen der westdeutschen Traditionsclubs. Schifferstadt holte sich zum zehnten Mal den Titel und darf sich nun an Rekordmeister nennen.

Dem Finale vorangegangen war ein bizarres Medienspektakel. Die einen haben den Luckenwalder SC zu einem Ost-Aschenputtel gemacht, haben die Geschichte vom verelendeten Osten mit horrenden Arbeitslosenzahlen geschrieben, wo sich die Menschen über nichts mehr freuen können, es sei denn die Ringer aus Luckenwalde treten an, um gegen die erfolgsverwöhnten Westringer so etwas wie einen späten Sieg der DDR zu erringen. Die Frankfurter Allgemeine hingegen führte in einem umfänglichen Artikel Roland Gehrke, den Trainer der Luckenwalder, als Stasispitzel vor – obwohl seine Zuarbeit für das Ministerium für Staatssicherheit schon lange bekannt war. 1996 verlor Gehrke deshalb seine Anstellung bei der Kriminalpolizei in Berlin. Der Trainer nahm es nach dem Finale mit Galgenhumor. Immerhin habe seine Stasitätigkeit dem Ringen einen vierspaltigen Artikel in der FAZ eingebracht. „Sonst wäre wahrscheinlich nur darüber berichtet worden, wenn fünf Ringer beim Kampf auf der Matte ums Leben gekommen wären“, meinte der ehemalige Schwergewichtsweltmeister.

Mit dem Sport hatte all das nur wenig zu tun. Das Ringen liegt nach der Pleite der deutschen Athleten bei den Olympischen Spielen von Athen am Boden. Auch das wäre eine Geschichte aus Luckenwalde wert gewesen. Denn dort gibt es einen Bundesstützpunkt. Ob der allerdings weiter unterhalten wird, ist nach den Misserfolgen von Athen mehr als ungewiss. Deutsche Ringer haben den Anschluss an die internationale Elite verloren.

Dass dennoch Spitzenringer in Deutschland zu sehen sind, liegt an den kleinen Vereinen in der Provinz, die aufbauend auf einer großen Ringertradition Mannschaften mit international erfolgreichen Athleten zusammenstellen. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Finalkonkurrenten aus Schifferstadt und Luckenwalde nur wenig. Beide Orte können sich auf ihr Publikum verlassen, so dass die Clubs für regionale Sponsoren relativ interessant sind. In die größeren Städte schafft es das Mannschaftsringen so gut wie nie.

2.500 Zuschauer wollten den Finalrückkampf sehen, etwa 150 davon waren aus Luckenwalde angereist. Von einer aufgeheizten Ost-West-Kampfstimmung war nichts zu spüren. Die Fans und Athleten der jeweils gegnerischen Riege wurden freundlich begrüßt. Dabei hätte es jede Menge Zündstoff gegeben. Denn Luckenwalde hatte den Vorkampf nur gewonnen, weil den Schifferstädtern vom Sportgericht ein Sieg im Hinkampf aberkannt worden war. Der Bulgare Wasil Teodosiew war ohne Startberechtigung eingesetzt worden.

Das Publikum jedoch wollte sich damit nicht beschäftigen. Es wollte die Ringer ringen sehen. Schon im zweiten Kampf fiel eine Vorentscheidung zugunsten der Schifferstädter. Der eigentlich schon in den Ruhestand gewechselte Exweltmeister Arawat Sabejew wurden von den Verantwortlichen des VfK zu einem Comeback überredet. Prompt schulterte er den wahrlich nicht schlechten Luckenwalder Bulgaren Krassimir Kotschew und versetzte den Brandenburgern einen Schock, von dem sie sich nicht mehr erholen sollten.

„Nächstes Jahr wollen wir dann ganz oben sein“, meinte Trainer Gehrke nach dem Kampf trotzig. Zeit für neue Geschichten aus Luckenwalde.