Kleiner Unterschied

Trotz ähnlicher Probleme wie beim 0:3 gegen Lyon reicht es für Werder Bremen gegen Bochum zum 4:0-Sieg

BREMEN taz ■ Der Verlauf der ersten Spielminute erfüllt alle Erwartungen. Der Tabellendritte aus Bremen stürmt, der Sechszehnte erwartet das kommende Unheil. Flanke Magnin, Kopfball Baumann, der Bochumer Keeper Vander pariert. Schon scheint Bremen den Code geknackt zu haben, um die Bälle reihenweise in den Bochumer Möchtegern-Safe zu legen. Denkste. Dreißig, ja wirklich dreißig lange Minuten passiert nichts mehr. Gar nichts. Der abstiegsgefährdete VfL zieht sich zurück, verhindert Fußball mehr, als ihn zu spielen, und betet mit jeder Ballberührung darum, vielleicht einen Punkt auswärts entführen zu können.

Bochums Spiel fußt inzwischen auf dem Glauben, bei favorisierten Teams wie Werder keine entscheidenden Punkte im Abstiegsgerangel holen zu können. In Trainer Neururers Sprache klingt das so: „Natürlich würden wir gerne bei den Großen gewinnen, aber wichtig sind die Heimspiele.“ Ach so. Fußball wird nur zu Hause gespielt. Im kommenden Heimspiel gegen Schalke darf dann wohl ein Punkt erwartet werden.

Diese Angsthasenarithmetik klappt selten. Wie die Szene aus der 45. Minute beweist. Schmerzhaft für die leidgeprüften Fans, die mit einer „Bochum wir stehen zu dir“-Choreografie mehr Standhaftigkeit zeigen, als Bochums Zuordnungsverbund nach einer Bogenlampe von Werders Fabian Ernst in Richtung Fünfmeterraum. Dass der Ball, der gefühlt mehrere Minuten in der Luft steht, von Valerién Ismaël zum 1:0 verwertet wird, liegt an der Zuarbeit von Vratislav Lokvenc, dem giraffenlangen Stürmer des VfL, der Ismaël einfach köpfen lässt.

Ein Tor, das wie die zwei folgenden Treffer binnen zehn Minuten durch Baumann (49.) und Valdez (53.) Neururers Glauben zerstört, „erstmals in meiner Karriere hier was holen zu können“. Daran hatte der Bochumer bis zur 45. Minute tatsächlich geglaubt. Und doch bleibt ihm nur der Spott des Bremer Mediendirektors Tino Polster, der süffisant bemerkt: „Peter, es ist alle Jahre dasselbe für dich.“

War es nicht. „Ich will nicht jedes Jahr die gleiche Platte auflegen.“ Denn: „Wie man sich im Abstiegskampf zu verhalten hat, haben wir in der ersten Halbzeit gezeigt“, erklärt Neururer. Das kann kaum als Lob an sein Team zu verstehen sein, mehr als eine verdeckte Kritik an Bremens Auftritt. Denn nur 25 Minuten verständigt sich die Bremer Elf auf eine druckvolle Negierung des Nichtangriffspaktes. Allen voran Frank Baumann, der seine Mittelfeldreihe zwischen der 40. und 65. Minute den ballhaltenden Bochumern auf die Füße schiebt und Fehler des Gegners provoziert. Hübsche Einzelleistungen des eingewechselten Jung-Stürmers Aaron Hunt, der das 4:0 durch Johan Micoud (73.) vorbereitet, und Valdez, der beim 3:0 spitzbübisch in der kurzen Ecke die Lücke zwischen Keeper und Pfosten mit dem rechten Außenrist entdeckt, reichen um die Presse-Agenturen von „Frustbewältigung“ angesichts des mit 0:3 verlorenen Champions-League-Spiels gegen Olympique Lyon vom vergangenen Mittwoch schreiben zu lassen.

Etwas voreilig, denn viele Missverständnisse und Ballverluste im Spielaufbau zeigen, wie fehleranfällig das Spiel des Meisters ist. Drei hundertprozentige Chancen vergeben die Bochumer zwischen der 80. und 90. Minute nach überraschenden Missgeschicken im Spielaufbau Werders. Eine Feststellung die Coach Thomas Schaaf wenig berührt. „Wir haben gezeigt, dass wir Tore schießen können. Damit haben wir uns am Mittwoch schwer getan.“ Dass Bremen erst mal in Führung gehen musste, um überhaupt in das Spiel zu finden, gesteht aber auch er.

„Erfahrung kann man sich nicht erkaufen, die kann man nur machen“, glaubt dagegen Bremens Manager Klaus Allofs. Die mangelnde Absicherung in den letzten Minuten des Spiels gegen Bochum und gegen Olympique Lyon in der Champions League hängen für ihn zusammen. Um sich gegen die Bayern abzusichern, auf deren Amateure Werder morgen im DFB-Pokal trifft, bevor es am Wochenende gegen die Großen geht, will man zum Training wieder an die Weser zurückkehren. „Solange halten wir es in München nicht aus.“ Klaus Allofs weiß, welchen Witz die Bremer schätzen.

OKE GÖTTLICH