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Für die Telenovela „Verliebt in Berlin“ (Sat.1, 19.15 Uhr) muss die Hauptdarstellerin dick und hässlich sein – und wir märchengläubig

VON CLEMENS NIEDENTHAL

Christian Popp ist mächtig stolz auf sein Reihenhaus, auf die blauen Kaffeetassen mit dem Sonnenblumenmotiv , auf das Bier für den Vater und den Tütenorangensaft für die Mutter. Christian Popp steht in den Kulissen der neuen Sat.1-Telenovela „Verliebt in Berlin“, steht im Reihenhaus-Wohnzimmer mit dem kleinen Herz aus geflochtenem Stroh an der Wand und hat seine Differenz gefunden. Gerade dieses Reihenhaus, so meint es der TV-Produzent, stünde für das Neue an „Verliebt in Berlin“. Ein Neues, das im Übrigen auch ein Altes ist: Mit den „Wicherts von nebenan“ spielte in den 80er-Jahren schon einmal eine Berliner Vorabendserie zu großen Teilen in einem Reihenhaus an den Rändern der Stadt.

„Verliebt in Berlin“ spielt dort nur zu kleinen Teilen. Und doch sind es gerade diese Momente, die der Telenovela eine dramaturgische Würde verleihen. Fast immer spielen die klugen, die witzigen, die wahren Augenblicke an diesem Ort. Dort, wo Lisa Plenske ihren Eltern von der großen Stadt erzählt. Wo sie verträumt aus dem Jugendzimmerfenster guckt. Das Mädchen mit den dicken Brillengläsern, das leider den einen entscheidenden Tick zu sehr zur Comedyfigur geraten ist. Eine Comedy-Figur mit strammen Schenkeln und melancholischen Gefühlen. Eine, die angeblich so ist, wie junge Leute so sind – nachdem junge Leute gerade eben noch angeblich so waren wie in „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“.

Für ihre Rolle der Lisa Plenske schlüpft die „GZSZ“-erprobte Schauspielerin Alexandra Neldel in Fatsuit und Zahnspangenattrappe. Ohne diese Accessoires übrigens war sie gerade erst in der Beischlafkomödie „Scharf wie Chili“ auf Pro7 zu sehen. Und man kann es getrost als Metapher verstehen, dass Sat.1 sein hässliches Entlein nur als verwandelten Schwan denken kann: Letztlich scheint die Mittelklasse-Normalität der Plenskes dem Sender selbst nicht geheuer. Weswegen der Hauptdarstellerin die Utopie eines besseren Lebens von vornherein in den eigentlich makellosen Körper eingeschrieben ist.

Lisa Plenske ist nun also die Heldin von „Verliebt in Berlin“. Braucht doch jede Telenovela – und das unterscheidet sie grundlegend von der Daily Soap – eine Heldin, deren Geschichte in einem guten Fernsehjahr zu erzählen ist. Lisa Pleske ist der Prototyp dieser Aschenputtel-Konstellation. Eine unbeholfene junge Frau mit dem besten Ausbildungszeugnis in ganz Brandenburg, die gleichsam unbeholfen in die so genannte Welt der Mode hineinstolpert und sich noch einmal unbeholfen in den schönen Juniorchef von Kerima-Moda verliebt. Etwa 150 Folgen lang, so eine vorläufige Prognose, wird der ihre Liebe nicht erwidern.

Das Drumherum ist schnell erzählt. Es gibt den exzentrischen Chefdesigner und die patente Kantinenfrau, die böse Prinzessin und den besten Kumpel von nebenan. Es gibt einen Titelsong von Nena und Musik von Robbie, Kylie, Dido. Es gibt beschleunigte Kamerafahrten entlang Berliner S-Bahn-Bögen. Und entschleunigte Erzählmuster, die ihren Betrachtern wenig abverlangen – außer der Bereitschaft, sich auf diesen intellektuellen Ruhezustand einzulassen.

Denn „Verliebt in Berlin“ leistet in nicht ganz so zuckrigen Tönen, was auch die ZDF-Telenovela „Bianca – Wege zum Glück“ auszeichnet: Fernsehen ohne Reibungswiderstände, Einschalten zum Abschalten, 24 tägliche Minuten Märchenwald. Geschickt platziert um Viertel nach Sieben. Zwischen den Mühen des Tages und einer traumlosen Nacht.