Friedensprozess unter Beschuss

Israel legt die Übergabe palästinensischer Städte nach dem Selbstmordattentat in Tel Aviv zunächst auf Eis. Unterdessen sucht Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die Verantwortung bei Dritten

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Israel und die Palästinenser zeigen auf Damaskus, wo die Hintermänner für das Attentat am Wochenende sitzen sollen. Vier Israelis starben in der Nacht zum vergangenen Samstag, als ein palästinensischer Attentäter in einem Tanzlokal am Strand von Tel Aviv einen Sprengsatz zur Explosion brachte. Ein fünfter wurde schwer verletzt und kämpfte gestern noch um sein Leben. „Die Befehle kamen von Elementen des Islamischen Dschihad in Syrien“, so Israels Premierminister Ariel Scharon zu Beginn der gestrigen Regierungssitzung. Doch obschon „wir das mit Sicherheit wissen“, sei die Palästinensische Autonomiebehörde „nicht von ihrer Verantwortung freizusprechen“.

Die palästinensischen Widerstandsorganisationen leugneten jedes Zutun und erklärten sich nach wie vor dem vereinbarten Waffenstillstand verpflichtet. Auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas beschuldigte eine „dritte Partei“ und kündigte an, „angesichts dieses Sabotageaktes nicht ruhig zu bleiben“. Abbas regt eine gemeinsame Untersuchung an. „Wir werden die Verantwortlichen verfolgen und bestrafen“, versprach er. Die palästinensische Polizei nahm zunächst fünf Männer fest.

Der 21-jährige Attentäter Abdallah Badran, der aus einem Dorf bei Tulkarem im Westjordanland stammte, hielt in einem vor der Tat aufgezeichneten Videofilm fest, dass er mit dem Angriff der palästinensischen Führung, die „im Interesse der USA“ agiere, schaden wolle. Die Führung des Islamischen Dschihad in Damaskus übernahm die Verantwortung für das Kommando.

Offenbar will Israel vorerst von erneuten militärischen Operationen absehen. Allerdings legte die Regierung in Jerusalem die geplante Übergabe von fünf Städten im Westjordanland zunächst auf Eis. Es werde „keinen diplomatischen Fortschritt geben“, so Scharon, „bis die Palästinenser scharfe Maßnahmen zur Zerstörung der terroristischen Organisationen und ihrer Infrastrukturen in den Palästinensergebieten unternehmen“. Scharon stellte Militäroperationen zum Schutz der israelischen Bürger in Aussicht, sollte die palästinensische Seite nichts unternehmen.

Zudem will Israel den Delegierten des Islamischen Dschihad, die Anfang März zu weiteren Verhandlungen über einen fortgesetzten Waffenstillstand nach Kairo fahren sollten, die Ausreise untersagen. Der palästinensische Vizepremierminister Nabil Schaath erklärte, dass die Waffenstillstandsgespräche auf unbestimmte Zeit verschoben würden. Israels Vizeverteidigungsminister Seew Boim kündigte die mögliche Wiederaufnahme der präventiven Exekutionen von Aktivisten der islamischen Widerstandsbewegung an. Die Kommunikationsministerin Dalia Itzik kritisierte hingegen die „beängstigende Rhetorik einiger Minister“ und empfahl, die Berichte der Sicherheitsdienste abzuwarten.

Entgegen den Stimmen in Damaskus, die ein Zutun abstreiten, betrachtet die Regierung in Jerusalem Syriens Präsidenten Baschar Assad als den Hauptverantwortlichen. Die fortgesetzte „Unterstützung und Ermutigung“ von Gewaltanschlägen gegen Israel, so Verteidigungsminister Schaul Mofas, gefährde die „Fortsetzung des Friedensprozesses mit den Palästinensern“ sowie die gesamte Stabilität in der Region. Dr. Schmuel Gordon von der Universität Tel Aviv vermutet, der Grund für Syriens Interesse sei vor allem, von der „andauernden Krise im Libanon abzulenken“. Nach dem Mord an dem ehemaligen libanesischen Premierminister Rafik Hariri formiert sich in Beirut zunehmend Protest gegen die syrische Besatzung.

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