Union will Steuern senken, sagt aber nicht, wann

BUNDESTAGSWAHL Die Union verabschiedet in Berlin einstimmig ihr Programm, und die CSU stänkert

„Die Union kommt als politischer Gemischtwarenhändler daher“

DIRK NIEBEL, FDP

BERLIN dpa | Die Union geht nach einstimmiger Verabschiedung ihres Wahlprogramms mehr auf die Arbeitnehmer zu, hat aber in der Steuerpolitik keine einheitliche Linie. Vorschläge der Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt, Günther Oettinger und Wolfgang Böhmer, die auf zumindest partielle Steuererhöhungen hinauslaufen, fanden auf der gemeinsamen Vorstandssitzung von CDU und CSU keinen Widerhall.

Kein völlig eindeutiges Signal gab es jedoch in der Frage eines Termins für die versprochenen Steuersenkungen. Im Wahlprogramm wurde auf Druck der CDU darauf verzichtet, die CSU will aber offensichtlich in einem eigenen Aufruf, der im Juli verabschiedet werden soll, das Jahr 2011 nennen. Insgesamt fährt die Union mit dem Programm einen arbeitnehmerfreundlicheren Kurs als vor vier Jahren. So wird auf einen Abbau von Arbeitnehmerrechten diesmal auch angesichts der Krise verzichtet. Im Gegensatz zur SPD sieht die Union den Staat nur als Nothelfer in der Krise. An diesem Montag wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer auf einem Kongress das Programm im Einzelnen vorstellen.

Mit dem Reformvertrag soll die Europäische Union effizientere Strukturen erhalten: Im EU-Ministerrat soll häufiger als bisher mit Mehrheit abgestimmt werden, und das Europäische Parlament bekäme mehr Einfluss – vor allem auf die EU-Rechts- und -Innenpolitik. Die europäische Außenpolitik würde besser koordiniert werden. Zudem sollen europäische Grundrechte in einer Charta ausdrücklich garantiert werden. Dabei werden jedoch keine wesentlichen neuen Befugnisse auf die Europäische Union übertragen.

Die übrigen Parteien reagierten mit Kritik. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier warf Angela Merkel angesichts der Steuerdebatte indirekt Führungsschwäche vor. Die Union gehe in eine programmatische Diskussion mit der Ankündigung von Steuersenkungen, sagte Steinmeier. Parallel dazu kündige man jedoch Steuererhöhungen an.

Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast bezeichnete das Programm als „Wundertüte“. Die FDP warf ihrem Wunschkoalitionspartner CDU/CSU programmatische Beliebigkeit vor. „Die Union kommt mit ihrem Wahlprogramm als politischer Gemischtwarenhändler auf den Markt der Parteien. Sie will, dass ihre Auslage gefällt, aber über die Preise soll erst später verhandelt werden“, sagte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Der Linken- Fraktionsvorsitzende Oskar Lafontaine hielt der Kanzlerin vor, unglaubwürdig zu sein.

In der Sitzung verteidigte Merkel nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur das Ziel der Steuersenkungen, weil sie zur Stimulierung der Konjunktur notwendig sind. Steuererhöhungen seien auch aus diesem Grund strikt abzulehnen. Entsprechend äußerte sich auch Seehofer und stellte Steuersenkungen für 2011 in Aussicht. Beim Eintreffen sagte er, gerade jetzt seien Steuersenkungen als Impuls wichtig. „Diesen Weg wollen wir auch 2011 weitergehen.“

Die Union will mit drei Steuerversprechen vor den Wähler treten: Der Kinderfreibetrag soll auf 8.004 Euro erhöht, der Eingangssteuersatz von 14 auf 12 Prozent gesenkt und der Steuertarifverlauf arbeitnehmerfreundlicher gestaltet werden. Ziel ist es, heimlichen Steuererhöhungen bei Lohnsteigerungen zu vermeiden. Eine Gegenfinanzierung wird nicht konkret genannt.

In der Arbeitsmarktpolitik unternimmt die Union gegenüber 2005 eine klare Kurskorrektur. So werden keine Forderungen mehr erhoben, die auf Änderungen an der Tarifautonomie hinauslaufen und den Kündigungsschutz einschränken. Bezieher von Arbeitslosengeld II sollen bessergestellt werden. Der Ökoenergie soll mehr Raum gegeben werden, obwohl es beim Nein zum Atomausstieg bleibt.