Seelenmassage für die Bauern

Auf ihrem traditionellen Agrarkongress schwört die nordrhein-westfälische CDU die Bauern auf einen Regierungswechsel im Mai ein. Rüttgers: „Wir werden die Bauern von Bärbel Höhn befreien“

AUS SOESTULLA JASPER

Manchmal macht der Wahlkampf in der Provinz selbst SpitzenpolitikerInnen Spaß. Bei ihrem gestrigen Auftritt beim Landesagrarkongress der nordrhein-westfälischen CDU in der Soester Stadthalle muss sich Angela Merkel gefühlt haben wie bei einem Heimspiel. Jedes Wahlversprechen, jede Kampfansage an Rot-Grün stieß bei der Stammklientel der Konservativen auf anhaltenden Applaus.

Und Merkel wusste, ebenso wie ihr Vorredner Jürgen Rüttgers, den Landwirten zu gefallen. Mit ein bisschen Deutschtümelei, einer Prise Bauernmythos und einem Lobgesang auf „das wunderschöne, ländliche NRW“ gelang es beiden, die angeschlagene Bauernseele für sich einzunehmen. Dass dabei wenig Zählbares für die Landwirte herauskam, ging bei all der guten Laune fast schon unter.

Was Redner wie Zuhörer gleichermaßen verband, war die Ablehnung der grünen Agrarreformpolitik. „Renate Künast und Bärbel Höhn entziehen der Landwirtschaft den Boden“, erklärte Merkel unter dem Beifall der Landwirte. Und für Rüttgers‘ Ankündigung „Wir haben uns vorgenommen, die Landwirte von Bärbel Höhn zu befreien“, gab es tosenden Applaus. Viel mehr konnte Rüttgers allerdings auch nicht zusagen, musste er doch einräumen, dass er jetzt keine unhaltbaren Versprechen machen wolle, die er später nicht einhalten könne. Angesichts einer „hemmungslosen Schuldenpolitik“ der Landesregierung, die zu 105 Milliarden Euro Schulden geführt habe, müsse in Zukunft vor allem gespart werden.

Der Landesregierung warf der Oppositionsführer jedoch vor, die Interessen der Bauern schlecht zu verkaufen und die gesetzlichen Richtlinien weiter zu verschärfen als von der Europäischen Union gefordert. Den Ball nahm Merkel gerne auf. Zwar wolle man natürlich „nicht das Schlechteste“ für die europäischen Nachbarn, aber „wir werden gewählt, damit es unseren Bauern gut geht“, so die Parteichefin. Man dürfe die Landwirte nicht länger gegen den Rest der Welt ausspielen, sondern müsse die Interessen deutscher Bauern in Brüssel vertreten.

Konkret forderte die CDU, die Landwirte von bürokratischen Auflagen zu befreien und sie nicht weiter „zu bevormunden“. Statt dessen solle die Politik den Bauern vertrauen: „Einer Familie, die eine Eiche besitzt, der braucht man über Generationen-übergreifendes Denken nichts zu erzählen.“ Die Landwirte sollten selbst entscheiden können, auf welche Art und Weise sie produzieren wollen.

Ansonsten vermieden es beide CDU-Politiker, konkreter auf landwirtschaftliche Fragen einzugehen. Stattdessen nutzen sie die Gelegenheit, um den großen Bogen ihrer Politik zu spannen. Vom Antidiskriminierungsgesetz über falsche Bildungspolitik bis hin zum Türkeibeitritt der EU betreibe Rot-Grün eine Politik gegen die Interessen ihrer Bürger.

Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) hat auf die Angriffe der Opposition und der Landwirte mit Unverständnis reagiert. Bei der Umsetzung der Tierschutzrichtlinien sieht sich Höhn an ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG) gebunden. „In Deutschland haben wir das von NRW erstrittene Urteil des BVG zur Hennehaltung, an dem wir uns im Bereich Tierschutz halten wollen und auch müssen.“ Den Vorwurf, dass die Bauern im internationalen Wettbewerb nicht mehr konkurrenzfähig seien, weist sie zurück. „Die Opposition sollte sich einmal die Zahlen ansehen, die der Deutsche Bauernverband erhoben hat: Deutschland ist der viertgrößte Agrarexporteur der Welt.“ Im EU-Vergleich produziere niemand mehr Raps und Kartoffeln, Milch und Schweinefleisch als die deutschen Landwirte, so Höhn.

Angela Merkel reicht das nicht aus. In Zeiten der Globalisierung brauche die Politik einen klaren Kurs: „Im globalen Wettbewerb können wir nur bestehen, wenn wir ein klares Bekenntnis zur Heimat aussprechen.“ Solch ein Satz tut geschundenen Bauernseelen gut.