Windmacher im Hinterhof

Ein einmaliges technisches Denkmal kann ab Sonntag wieder besichtigt werden: Der in Vergessenheit geratene Windkanal des Flugpioniers und Ingenieurs Henrich Focke

aus Bremen Eiken Bruhn

Der Wind, der die Antwort kennt, weht wieder. Dreißig Jahre war er in Vergessenheit geraten, wollte kaum jemand etwas von ihm wissen, blieb die einmalige Windmaschine in dem unscheinbaren Flachbau in einem Bremer Hinterhof ungenutzt. Spinnen, Schimmel und Staub nahmen Besitz von dem technischen Denkmal, das der 1979 verstorbene Henrich Focke – Flugpionier und Erfinder des ersten Hubschraubers – Anfang der 60er mit über 70 Jahren in Heimarbeit zusammen gezimmert hatte. Aerodynamische Versuche unternahm der Ingenieur in seinem privaten Windkanal – mithilfe von Küchenwaagen und viel Sperrholz. Sein Ziel: Die Sicherheit des Fliegens zu verbessern.

Jetzt läuft der Propeller wieder und schickt bewegte Luft im Rund durch den Raum, die dort auf ein Tragflächenmodell trifft und in die eine oder andere Richtung drückt. Die erste öffentliche Führung findet am Sonntag statt. Doch der Hauch des sagenumwitterten Geheimlabors, das nur findet, wer es auch wirklich sucht, bleibt dem Windkanal erhalten. Irgendwo in der Nähe des Hauptbahnhofs muss sich der Eingang befinden, der mit einem stilisierten Tragflächenprofil markiert ist. So ist es auf der Internetseite beschrieben: „Von dort gehen Sie etwa xxx m Richtung xxxxxx, biegen dann xxxxx in die xxxxxx-Straße ab und anschließend nach xxx m xxxxx in die xxxxxx-Straße.“

Die genaue Anschrift hält Projektleiter Kai Steffen geheim. Nicht, weil er seine Entdeckung mit niemand teilen will, sondern weil das Mini-Museum so klein ist, dass es schon eng wird, wenn sich zehn Personen gleichzeitig darin aufhalten. Außerdem fürchten er und die Denkmalschützer um die vielen kleinen Original-Gegenstände, die die kleine Werkstatt und das Büro so aussehen lassen, als käme Focke in einer halben Stunde vom Mittagessen zurück. Auf dem Schreibtisch steht eine leere Flasche Sinalco, im Schrank eine Dose mit einem „digitalisfreien Herzmittel zur Normalisierung des Herzrhythmus“. Die 60er Jahre sind lebendig in diesen Räumen: Alles, was nicht bei Berührung auseinanderfiel, wurde restauriert, Tapeten und Sesselbezüge stilecht ersetzt. Ein Original ist auch das Multifunktionswerkzeug, Marke „Focke Eigenbau“: Eine Art Nachttisch wurde zur Kreissäge umfunktioniert, eine Bohrmaschine diente als Antrieb. „Werkzeuge waren teuer damals“, erklärt der promovierte Ingenieur Steffen, der sich die Wiedereröffnung des Windkanals zur Aufgabe gemacht hat.

1997 hatte der heute 36-Jährige erstmals von Fockes Privatlabor gelesen, seitdem bemühte er sich um Gelder für dessen denkmalgerechte Restaurierung. 2.000 Euro, so schätzte er damals, bräuchte man, um das halb verfallene Objekt wieder funktionstüchtig zu machen, 250.000 Euro sind es trotz ehrenamtlicher Arbeit von Steffen und einer kleinen Gruppe von Mitstreitern geworden. Die eine Hälfte übernahmen private, die andere Hälfte öffentliche Sponsoren. Zu tun gibt es immer noch genug, sagt Steffen. „In einem halben Jahr ist der Windkanal so weit, dass man in ihm wieder forschen kann.“

Informationen und Anmeldung für Führungen: www.focke-windkanal.de