Perfektprekäres Timing

Koalitionsausschuss und Kulturhauptstadt-Jury befanden gestern zeitgleich über die Zukunft der Bremer Kultur

Bremen taz ■ Zeitgleich tagten gestern zwei Gremien, die sich mit der Bremer Kultur beschäftigten: Im Rathaus der Koalitions-Ausschuss im Zuge seiner allgemeinen Sparanstregungen – und in Berlin begann die Jury, die über die Auswahl der deutschen Bewerber für die „Kulturhauptstadt Europas“ 2010 entscheidet, mit ihren Beratungen. Ein denkbar prekäres Timing?

Die JurorInnen sind bekannt dafür, die Entwicklung der Kulturhaushalte der Bewerberstädte en detail zu studieren. Carmen Emigholz, kulturpolitische Sprecherin der SPD, verweist darauf, dass Kultur über die bereits am Freitag beschlossene fünfprozentige Kürzung aller Zuwendungsempfänger ohnehin schon im Sparboot sitze. Man müsse nun „intelligentere Wege“ finden, als „blank zu sparen“ – etwa die Zusammenlegung von Angeboten im Rahmen von Stadtteilkonzepten.

Der Finanzsenator aber möchte aus den 1,6 Prozent, die Kulturausgaben im Bremer Gesamthaushaltes ausmachen, das Maximum holen: Sein Entwurf fordert die „Schließung von längerfristig qualitativ nicht tragfähigen und/oder finanziell nicht tragfähigen Einrichtungen“ – eine Formulierung, mit der bei Bedarf jeder gemeint sein kann. Dann kommt ein Satz, der die Schließungsbereitschaft sogar zur Bedingung für weitere Kulturförderung macht: „Die ist im Masterplan II umzusetzen.“ Der war eigentlich als – in Kooperation mit den Einrichtungen selbst vorzunehmende – Ausarbeitung neuer Förderrichtlinien verkauft worden.

Weiter nennt das Papier die Reduzierung der sozialen Künstlerförderung und die Verringerung von Stadtteilbibliotheken. Das Goetheplatztheater soll verstärkt mit anderen Einrichtungen kooperieren. Bis zu fünf Prozent der derzeitigen Verwaltungsausgaben könnten so eingespart werden. Intendant Klaus Pierwoß: „Mit Kürzungen schießt die Stadt sich selber aus dem Rennen – das wird selbst der Sparwütigste nicht wollen“. Bei Redaktionsschluss stand weder das eine noch das andere fest. HB