Weitere Erfolge für Anklägerin Carla del Ponte

Drei Exgeneräle aus Bosnien stellen sich freiwillig dem Den Haager Kriegsverbrechertribunal – Offiziere der Serben ebenso wie der Muslime. Serbenführer Karadžić und sein General Mladić hingegen sind noch immer auf freiem Fuß

SARAJEVO taz ■ Tränen standen in den Augen von einigen hundert Veteranen, als gestern „ihr“ General Rasim Delić in Sarajevo das Flugzeug nach Den Haag bestieg. Er werde vor dem Gericht die „Wahrheit über den Krieg“ sagen, erklärte Delić, von 1993 bis 1995 Oberkommandierender der bosnischen Armee, kurz vor der Abreise ins Gefängnis von Scheveningen.

Delić wird vorgeworfen, für Gräueltaten ausländischer muslimischer Freiwilliger, soge nannter Mudschaheddin, an serbisch-bosnischen und kroatisch-bosnischen Zivilisten in Zentralbosnien und der Region von Ozren mitverantwortlich zu sein. Schon seit Ende Januar steht mit Sefer Halilović sein Vorgänger als Oberkommandierender der bosnischen Truppen von 1992-93 vor dem UN-Tribunal vor Gericht. Ihm werden Verbrechen gegen kroatisch-bosnische Zivilisten vorgeworfen.

Halilović wie auch Delić weisen jegliche Verantwortung für Kriegsverbrechen weit von sich. In der Tat standen beide einer Armee vor, die von 1992 an, aus Freiwilligen gebildet, verzweifelt versuchte, sich des Ansturmes der gut ausgerüsteten serbischen und ab 1993 auch der kroatischen Truppen zu erwehren. Doch zumindest auf Delić fallen einige Schatten. Trat Halilović bis zu seiner Ablösung im Juni 1993 vehement für den Aufbau einer multinationalen, multireligiösen Armee ein, in der Männer und Frauen aus allen drei Volksgruppen gegen die Angriffe der „nationalistisch-faschistischen“ Kräfte kämpften, so sah Delić in den bosnischen Verteidigungstruppen vor allem eine Armee der muslimischen Volksgruppe. Um die 1.000 Freiwillige aus islamischen Ländern wurden, nachdem er das Kommando übernahm, als Sondertruppen in die bosnische Armee integriert. Und diese Mudschaheddin haben die Verbrechen gegen serbische und kroatische Zivilisten begangen, wegen deren Delić als Verantwortlicher angeklagt ist.

Auch der serbisch-bosnische Ex-General Radovoj Militić wollte sich noch gestern von seinen Freunden verabschieden. Er hatte angekündigt, sich ebenfalls am Montag in Den Haag einzufinden. Schon am letzten Donnerstag hatte sich mit Milan Gvero ein zweiter General der serbisch-bosnischen Armee dem UN-Tribunal gestellt. Damit hat das UN-Tribunal und seine Chef-Anklägerin Carla del Ponte einen großen Erfolg zu verbuchen. Denn mit den beiden Serbengenerälen sind zwei wichtige Mitarbeiter des noch flüchtigen Oberkommandierenden der serbischen Streitkräfte im Bosnienkrieg 1992–95, Ratko Mladić, nach Den Haag gekommen. Es bedurfte großen diplomatischen Druckes auf die Regierung in Serbien, ihrerseits auf die beiden Generäle einzuwirken, sich freiwillig zu stellen. Denn beide sollen an der Planung und Organisierung der Massaker von Srebrenica und Zepa 1995 beteiligt gewesen sein. Die Anklage wirft ihnen vor, für Mord, Folter und Vergewaltigungen in tausenden von Fällen mitverantwortlich sein. Vorerst müssen sie für ihren Chef geradestehen.

Ob den beiden bald Ratko Mladić folgen wird, ist nach wie vor ungewiss. Die serbische Regierung behauptet nämlich, Mladić halte sich wie der ehemalige Serbenführer Radovan Karadžić nach wie vor in Bosnien auf. Die Ermittler in Den Haag und andere internationale Institutionen wissen zwar, dass sich Mladić bis ins letzte Jahr hinein immer wieder in den unterirdischen Militäranlagen von Han Pijesak bei Sarajevo aufgehalten hat, aber auch, dass die Armee Serbiens ihre schützende Hand über ihn hält. Die USA haben weitere Wirtschaftshilfe für Serbien von der Kooperation in Bezug auf die Kriegsverbrecher abhängig gemacht, die EU übt ebenfalls diplomatischen Druck aus.

Mit den drei Generälen sind die meisten der großen Köpfe in Den Haag gelandet. Ab 9. März wird in Sarajevo ein bosnisches Kriegsverbrechertribunal seine Arbeit aufnehmen, das sich dann mit den weniger spektakulären Fällen beschäftigten soll.

ERICH RATHFELDER