Kollaps der UN-Kongo-Mission?

Nach der gezielten Ermordung von neun Blauhelmsoldaten im Kongo wird über einen Rücktritt der gesamten Führung der weltgrößten UN-Mission nachgedacht

GOMA taz ■ Die UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo (Monuc) steckt nach der Ermordung von neun ihrer Soldaten durch Milizen am vergangenen Freitag in ihrer bisher schwersten Krise. Ein kompletter Rücktritt der gesamten Führung der größten UN-Friedensmission der Welt ist nicht mehr auszuschließen, was allerdings auch mit den anderen Problemen der Mission zu tun hat – weitverbreiteter sexueller Missbrauch von Kongolesinnen durch UN-Soldaten, endlose Blockaden des Friedensprozesses und Tatenlosigkeit der UNO gegenüber irregulären Milizen im Ostkongo. Der Oberkommandierende der Blauhelmsoldaten der Monuc, Generalmajor Samailia Iliya, hat bereits letzten Mittwoch seinen Hut genommen. Glaubwürdige Quellen berichten der taz, auch Monuc-Chef William Swing habe seinen Rücktritt eingereicht, und zwar schon am vergangenen Donnerstag. Offiziell habe dieser Schritt diese Woche gemacht werden sollen. Möglich ist aber, dass der Rücktritt im Lichte des Angriffs auf die Blauhelme auf Eis gelegt worden ist, um nicht den Eindruck eines kompletten Zusammenbruchs der 14.500 Mann starken UN-Mission zu erwecken. Wie es heißt, befand sich Swing am Freitag bereits auf dem Weg zum Flughafen von Kongos Hauptstadt Kinshasa, um nach New York zu reisen, als die Nachricht vom Massaker an UN-Soldaten ihn erreichte und er wieder umkehrte.

Offiziell verweigerten UN-Vertreter im Kongo gestern jede Stellungnahme. Die Diskussion um die Zukunft der Mission ist dennoch in vollem Gange. Im US-Kongress findet morgen eine Anhörung über Sinn und Unsinn der Monuc statt, bei der US-Republikaner für einen Abbruch der Mission plädieren wollen. Die USA verhinderten bereits im vergangenen Herbst im UN-Sicherheitsrat die Aufstockung der Monuc auf die von UN-Generalsekretär Kofi Annan gewünschte Truppenstärke von 25.000 Mann. Das derzeitige Monuc-Mandat läuft Ende März aus. Gestern reiste Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, nach Kongo, unter anderem zu Gesprächen über die Zukunft der UN-Mission.

Im Kongo macht nun das Wort von der „Somalisierung“ des Landes die Runde – in Somalia sorgten Milizen 1993 mit Angriffen auf UN- und US-Truppen für einen Abzug aller ausländischen Interventionstruppen und für einen bis heute andauernden Zustand des Staatszerfalls. Der Tod von neun UN-Soldaten aus Bangladesch im Kongo war der bisher schwerste Angriff auf die Monuc seit ihrem Beginn 2001. Die Toten gehörten zu einer Patrouille, die am Freitag in der Nähe des Dorfes Kafe im nordostkongolesischen Unruhedistrikt Ituri in einen Hinterhalt geriet. Dieser Teil Ituris ist eine Hochburg der Miliz FNI (Nationalistische Kräfte für Integration), die sich aus dem Lendu-Volk rekrutiert und in dieser Gegend seit zwei Monaten großflächige Vertreibungen am Hema-Volk vornimmt. Über 70.000 Hema haben sich in Lager gerettet, um die herum die UN-Soldaten patrouillieren. Wie der UN-Radiosender Radio Okapi gestern berichtete, dauerte der Angriff auf die bangladeschische Patrouille eine halbe Stunde, und die Angreifer hatten Zeit, den toten UN-Soldaten die Uniformen und Waffen abzunehmen. DOMINIC JOHNSON