Kopf ab für die Großen

Nur wenige Vögel lassen sich von Windkraftanlagen den Kopf abhauen, sagt der Bremer BUND. Die Küste Ostfrieslands von vorne bis hinten mit den Rotoren vollzustellen, sei trotzdem nicht so sinnvoll

von Armin Simon

Der Dumme ist der Rote Milan. Zu groß. Zu langsam. Zu manövrierunfähig. Nicht bei der Jagd auf Mäuse und Feldhamster. Aber bei der Flucht vor großen Flügeln aus Kunstharz und Stahl. Solchen von Windkraft-Anlagen etwa. Bis zu vierzig Mal sausen die pro Minute durch die Luft, macht bei drei Flügeln bis zu zwei pro Sekunde. Ssp, ssp, ssp – wehe dem Roten Milan, der da nach Mäusen späht.

Mit dem Bild vom Todesacker unterm Rotor machen Vogelschützer, echte und selbst ernannte, seit Jahren Front gegen den Bau von Windkraftanlagen. Ökostrom auf Kosten der Natur – der Streit sät selbst in und zwischen Umweltverbänden Zwist. Jetzt hat der Bremer BUND versucht, die Diskussion auf eine sachlichere Grundlage zu stellen. Er trug Untersuchungsergebnisse zum Thema zusammen, seine Schlussfolgerung: Windkraftnutzung sei kein Widerspruch zum Vogelschutz, sofern man im Vorhinein auf die Vogelverträglichkeit der Standorte achte. Der Sprecher des Wattenrats Ost-Friesland, Manfred Knake, kritisierte umgehend: Der BUND lasse sich „vor den Karren der Windenergie-Industrie spannen“.

Die inhaltlichen Ergebnisse der Studie stellt Knake dabei nicht in Frage. So ist der gefiederte Flieger, der einen Rotor auf den Kopf bekommt, demnach eher die Ausnahme. „Vogelschlag spielt bei den allermeisten Arten in Mitteleuropa so gut wie gar keine Rolle“, fasst BUND-Geschäftsführer Martin Rode die Studien zusammen. Offenbar sind die allermeisten Vögel weit wendiger als etwa der Rote Milan. Für das Anwachsen oder Schrumpfen der Vogelpopulation im Inland jedenfalls, sagt Rode, sei die Windkraft-Nutzung ohne Belang.

Anders sieht die Situation bei Fledermäusen aus – sie sind öfter Rotor-Opfer als bislang vermutet – und entlang der norddeutschen Küste, wo jedes Jahr zigtausende von Watvögeln rasten. Nicht der Rotorschlag, sondern die bloße Anwesenheit der Mühlen sind hier das Problem. Denn die Vögel suchen weite, unberührte Marschlandschaften, schon ein einziger Rotor macht ganze Wiesen unbrauchbar für sie. „Die Rastplätze werden entwertet“, klagt Knake, die Vögel müssten „auf suboptimale Flächen ausweichen“, Stress und Umwege in Kauf nehmen.

Flächendeckend sei in den letzten zehn Jahren die ostfriesische Küste mit Rotoren zugebaut worden, sagt Knake, oftmals stünden die Anlagen keine 500 Meter vom Deich entfernt. Der BUND habe dagegen nie einen Ton gesagt. Rode räumt ein: Das Plädoyer für die Suche nach „konfliktfreien“ Standorten „kommt für Ostfriesland zu spät“. Im Offshore-Bereich solle sich das nicht wiederholen. Windkraftanlagen innerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone zu errichten, da sei der Bremer BUND „keineswegs dafür“.