Endlich gefunden: Die Gemeinschaft, die sagt, wo’s langgeht

Strenge Orden erfreuen sich eines regen Zulaufs. Viele der Mitglieder wollen nicht mehr selbst ihren Weg durchs Leben suchen, sagt der Theologe und Sektenexperte Karl Graml

taz: Ist die Suche nach einem stärker auf Spiritualität orientiertem Ordensleben heute etwas ganz Normales?

Karl Graml: Diese Entwicklung ist heute immer wieder festzustellen. Ich kenne einen Orden, den Orden der Karmeliterinnen, ein sehr strenger, kontemplativer Orden. Die Frauen, die dort eintreten, verpflichten sich zur strengen Klausur, nicht einmal ihre Familien können sie besuchen. Interessant ist, dass gerade diese kontemplative Richtung, einen sehr starken Nachwuchs hat.

Warum das?

Viele dieser Frauen suchen nicht mehr die Herausforderung im Alltag. Sie wollen geführt werden, sie wollen geleitet werden, sie wollen behütet sein. Sie wollen nicht mehr selbst ihren Weg durch das Leben suchen.

Wie erklären Sie sich diesen Wunsch?

Bei einem Teil ist es bestimmt echte Berufung. Bei einem anderen Teil mag dieser Wunsch aber auch aus familiären Hintergründen, gescheiterten Beziehungen oder anderen, mir unbekannten Gründen resultieren.

Gehen diese Frauen dann aus den falschen Gründen ins Kloster?

Wenn sie die oben genannten Gründe meinen, dann ja. Es ist ein Zurückziehen in den Klosterbereich, weg von der Konfrontation mit den Nöten, den Sorgen, den Kämpfen, die die Menschen draußen haben.

Sind dann diese zurückgezogen lebenden Menschen besonders anfällig für eine sektenähnliche Gemeinschaft wie die Christusgemeinschaft und für Indoktrination?

Ich denke schon. Sie haben dann das gefunden, was sie gesucht haben: die Gemeinschaft, die ihnen sagt, wo es langgeht.

Interview: Heiko Ostendorf