AUS DEM TAGEBUCH
: Das alte Westberlin

Didi geht, die Thalbach bleibt

Ich treffe mich mit Esther. Wir stolpern über den Savignyplatz und kehren im Schwarzen Café ein, um an ihren manchmal naiven Songtexten zu arbeiten. Sie bestellt einen Milchshake und singt mir Zeilen ins Ohr. An einem hinteren Tisch entdeckt sie einen ehemaligen Liebhaber, den sie wegen seiner komischen Geschäfte mit China abserviert hatte. Wir beobachten, ob zwischen ihm und seiner Verabredung, einer älteren blonden Frau, eine körperliche Annäherung stattfindet. Aber sie wird nur angedeutet. Die blonde Frau ist zu souverän.

Später gehen wir ins Diener. Didi Hallervorden ist da. Ich bin mit Didi Hallervorden in derselben Kneipe! Toll. Esther sagt etwas von der Thalbach, die ja immer noch so nach Leben aussehe, ich kann die Thalbach nicht entdecken. Esther erzählt von ihren Engagements und davon, dass sie kürzlich eine Krimifolge abgesagt habe, und sie erzählt vom Theater. Sie wolle unbedingt wieder zum Theater! Ich mache mir nichts draus. Aus dem Theater. Theater habe ich immer albern gefunden, gekünstelt, unwirklich, prätentiös, realitätsfern, aber das sage ich ihr alles nicht. Wir bestellen Hackepeter, es ist der erste Hackepeter meines Lebens, er sieht schön eklig aus. Esther haut rein, sie mag trashiges Essen, das mag ich an ihr. Der Hackepeter ist nichts weiter als Schweinemett mit rohem Ei, dazu Zwiebelringe, also aus echten Zwiebeln, und Kapern und Paprikagewürz. Schmeckt, ist gebongt, es lebe Berlin.

Didi geht, die Thalbach, jetzt sehe ich sie auch, es ist die ältere, also Katharina, bleibt. Wir hängen in der dritten Strophe fest. Ich versuche, Daniel Brühl mit Robert De Niro aus dem Bananarama-Song zu vergleichen, den Esther nicht kennt, und ihn warten und spanisch sprechen zu lassen. Esther weiß nicht so recht. Sie mag den ja, sie kenne den ja auch. Dann zahlen wir und gehen. Kurz nach Didi.

RENÉ HAMANN