berliner szenen Große Füße

Alba zum Abiball

„Übergrößen Damen 42–48, Herren 46–58. Untergrößen Damen 32–35“ – so steht es auf der Tafel über den Regalen. Überall Schuhe, Schuhe, nichts als Schuhe. Der Steglitzer Über- und Untergrößenladen ist für seine Auswahl bekannt. Im Vorderteil des Ladens hat man die Damen untergebracht, oberschenkelhohe rote Lacklederstiefel mit schwarzen Schnürsenkeln und blutrote, pinke, silberne oder goldene Pumps in Größe 43–46. Weiter hinten die Herren – große Schuhe in allen konventionellen Farben und Formen – und die Untergrößen für Damen, Highheels in 32, weiße Brautkleidschuhe in 34.

Drei große Mädchen stehen in den engen Gängen zwischen den hoch gestapelten Schachteln und probieren Schuhe an. Sie suchen etwas Festliches für den „Abiball“, verraten sie der Verkäuferin. Man schwankt zwischen einer hellblauen Riemensandalette mit modern abgeschnittener Spitze und einem Halbschuh mit Jeansblütenapplikation: „Sagen Sie bitte doch mal ganz spontan, welche besser aussehen.“ Die Verkäuferin gibt ein Urteil ab, entscheiden kann sich die Kundin trotzdem nicht. Ein sehr, sehr großer junger Mann kommt in das Geschäft und begutachtet Lederslipper in Größe 48. „Alba Berlin“, flüstert die junge Frau ihrer Freundin zu. Der Ladenbesitzer reißt die Tür auf und ruft laut auf die Straße hinaus: „Tachchen, Frau Krüger, wo haben Sie denn Ihren Mann gelassen?“ – „Der ist zu Hause. Heute geh ich mit meiner Schwester bummeln.“ – „Tja, das muss auch mal sein! Einen schönen Tag noch!“

Die Kundin mit den blauen Schuhen hat sich entscheiden. Sie trägt ihre Schachtel schon wie einen Schatz zur Kasse, während die anderen Frauen zum Probelauf noch die engen Gänge zwischen den vielen Kartons ausmessen. CHRISTIANE RÖSINGER