AUSGEHEN UND RUMSTEHEN VON JURI STERNBURG
: Die Unzuverlässigkeit der Halbwelt

Die Institution des Junggesellenabends ist schon schlimm genug, wären da nicht noch die Serviceanbieter

Junggesellenabschiede sind etwas für die von unserem Schöpfer mit weniger Hirn Bedachten, so glaubte ich zu wissen. Wie oft hat man es erlebt, wenn man zum Beispiel durch die Simon-Dach-Straße läuft oder den einen oder anderen Biergarten besucht, dass einem zehn Bierbäuche mit Bollerwagen und dem unglaublich lustigen T-Shirt-Aufdruck „LEBENSLÄNGLICH 2009!“ entgegenkommen. Im schlimmsten Fall wollen sie einem dann Schnäpse oder kleine Wundertüten für den Herrn andrehen, manchmal müssen sie sich auch vor versammelter Mannschaft zum Affen machen, manche tragen gar eine Gefängniskugelattrappe am Fuß.

Als wir jedoch vor kurzem den ersten Junggesellenabschied zu organisieren hatten, stellte sich auch uns die Frage, wie man dem – zu allem Überfluss auch noch französischen – Bräutigam eine Freude bereiten könnte. Zuerst wurde nach französischen Bräuchen recherchiert, die allerdings noch wesentlich wirrer und abstoßender sind als alles, was man hierzulande erlebt. Wir entschieden uns also für das klassische Verwöhnprogramm: Stripperin und Stretchlimo. Freundlicherweise erhielten wir eine kleine Nebenspielstätte der Volksbühne, und auch ihr „Manager“ war ganz aus dem Häuschen, als er erfuhr, dass für „Arielle“ eine Bühne samt Licht und Sound zur Verfügung stand. „Da freut die sich!“, rief er ins Telefon. Arielle freute sich so sehr über die professionellen Hilfsmittel, dass sie ihre Kleidung ziemlich schnell verlor und nach der Show fragte, ob sie sich noch ein wenig zu uns setzen dürfe.

Selbstverständlich durfte sie, denn nun hieß es auf die Limo warten, und das, obwohl Arielle bereits mit 40-minütiger Verspätung am Ort des Geschehens aufgetaucht war und den Zeitplan gehörig durcheinander wirbelte – was ihr jedoch niemand so richtig übel nehmen konnte. Zuerst redeten wir uns ein, dass der Fahrer nur Verspätung habe, schließlich leben wir in Deutschland, und feste Verabredungen werden hier noch pünktlich und ohne weitere Probleme eingehalten. Ein wenig später mussten wir dem in der Zwischenzeit mit lustigen Trinkspielen beschäftigten Junggesellen beichten, eine super Idee gehabt zu haben, die jedoch aufgrund der nicht funktionierenden deutschen Dienstleistungsbranche in die Hose ging. Der Franzose jedoch erklärte uns, wir seien wie Christoph Kolumbus: Wir hätten etwas entdeckt, was vor uns schon Millionen Menschen kannten. Nämlich die Unzuverlässigkeit der Halbwelt.

So verfrachteten wir die Gesellschaft in Großraumtaxis und fuhren gen Warschauer Straße ins Hotel. Türsteher lassen sich von einer Horde grölender Junggesellenabschiedler ungern überwinden und so vereinbarten wir Stillschweigen gegenüber den Bewachern der Tür. Was auch funktionierte – bis wir vor ihnen standen. Vergnügt teilte man uns mit, dass bereits eine Truppe Mädels den Laden zu ihrem Jungesellinnenabschied nutze, und jedem war klar, dass es sich der Beschreibung nach nur um die zukünftige Braut handeln konnte. Unter keinen Umständen dürfen Braut und Bräutigam sich an diesem Abend begegnen (was unseren französischen Freund sehr verwunderte), und so warfen wir ihn ins nächste Taxi, bevor auch nur telefonischer Kontakt aufgenommen werden konnte.

Stunden später stehen wir in der Bar 25, genießen die Sonnenstrahlen des jungen Morgens und erfreuen uns am Strahlen der jungen Leute. Ein Handy klingelt. „Uwe“ ist dran, der unzuverlässige Limousinen- und Escortvermieter. Er sei gestern Abend eingeschlafen und wolle sich entschuldigen. Mein Mitbewohner greift nach dem Telefon und erklärt „Uwe“, er könne sich seine Limo in die dafür vorgesehene Körperöffnung schieben, und außerdem würden wir in den nächsten Tagen seinen gesamten Fuhrpark abfackeln. „Uwe“ wiederum reagiert milieutypisch und schickt nicht ganz so konfuse Drohungen an uns zurück. Nun hoffen wir auf die Unzuverlässigkeit der Halbwelt.