Demografischer Wandel soll Frauen fördern

Wenn die Gesellschaft überaltert, gibt es weniger Arbeitskräfte. Eine Chance für Frauen, die gerade in den Spitzenpositionen noch unterrepräsentiert sind – und für die Wirtschaft, Betriebe frauenfreundlicher zu gestalten

BERLIN taz ■ Kind und Karriere – für viele Frauen ist das immer noch ein Traum, der auch einer bleibt. Denn vom eigenen Anspruch, für das Kind da zu sein, bis zu der Erwartungshaltung von Eltern, Familie und Freunden gibt es zahlreiche Gründe, die Frauen dazu bringen, ihren Beruf aufzugeben. Und das wird zunehmend zum Problem.

Betrachtet man die demografische Prognose der nächsten 50 Jahre, zeichnet sich ein drastisches Bild ab: 2050 werden europaweit bis zu 50 Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre sein. Die Zahl der Erwerbstätigen wird damit von heute rund 40 Prozent auf 25 Prozent der Bevölkerung sinken. In Deutschland zeichnet sich das Problem schon heute ab: Die Geburtenrate liegt bei 1,1 Kinder pro Frau – zum Vergleich: In Frankreich sind es 1,9 Kinder.

„Die Bevölkerungsentwicklung schlägt sich auch in der Wirtschaft nieder“, sagte Haleh Bridi, Mitarbeiterin der Weltbank, auf der Frauenkonferenz „World Women Work 2005“ in Berlin. Denn die Überalterung der Gesellschaft bedeute europaweit rund eine Million Arbeitskräfte weniger im Jahr. Weniger Arbeitskräfte bedeutet aber auch: höhere Produktivität, längere Arbeitszeiten, Berufstätigkeit bis ins hohe Alter, Notwendigkeit der Immigration von Arbeitern und niedrigerer Lebensstandard. So werde deutlich, dass das Modell „Mann arbeitet, Frau bleibt zu Hause und erzieht die Kinder“ veraltet sei. Doch wenn junge Arbeitskräfte Mangelware werden, sei das eine Chance für Frauen, so Bridi. Schließlich wären sie dann auf dem Arbeitsmarkt gefragt wie nie.

Doch noch scheitert die Vereinbarung von Kindern und Karriere oft an den Unternehmen, so Loretta Würtenberger, Partnerin bei Blue Corporate Finance. Beim Berufseinstieg werde die Frau gefördert. Doch nach der Elternzeit, die klassischerweise die Frau nimmt, werde ihr der Wiedereinstieg in den Beruf nicht gerade erleichtert – und damit Kapital verschenkt. Und das, obwohl die Wirtschaft Frauen will, meint Peter Ramm, Vertreter von Siemens. Schließlich sei eine heterogene Belegschaft grundsätzlich förderlicher für Betriebsklima und Innovationen als eine homogene Belegschaft.

Der Konsens: Bis Betriebe in Deutschland frauenfreundlich werden, muss noch einiges passieren. Arbeitszeiten müssten familienfreundlicher gestaltet werden können. Wenn von einer Frau erwartet werde, dass sie als Managerin als Letzte aus dem Büro geht, könne nicht gleichzeitig erwartet werden, dass sie daheim den Haushalt schmeiße. Außerdem müssten Betriebskindergärten Standard werden, die die Jüngsten auch während der Arbeitszeiten betreuen. Und eine Lohnfortzahlung während der Elternzeit würde die wirtschaftliche Lage erleichtern und es Männern eher möglich machen, auch eine Zeit lang zu Hause zu bleiben.

Mit den aktuellen Bedingungen für Frauen mit Kindern im Beruf wird ein Teufelskreis geschaffen: Wenn mehr Frauen arbeiten und sich gegen Kinder entscheiden, sinken die Bevölkerungszahlen weiter, sodass mehr Frauen arbeiten und es wiederum weniger Kinder gibt.

SVENJA BERGT