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Archiv-Artikel

Als der Rassismus Brasiliens Fußball regierte

Er muss ein unglaublicher Fußballer gewesen sein. Arthur Friedenreich wurde „Tiger“ genannt, „Goldfuß“, von einigen sogar „König des Fußballs“. Als der Stürmer 1935 seine Karriere beendet hatte, war er ein Star in Brasilien. Friedenreich, der Sohn eines deutschen Immigranten und einer Brasilianerin, war der erste Schwarze im brasilianischen Fußball, dem dieser Status zuteil wurde. Als er 1969 starb, hatte Brasilien längst neue Helden. Friedenreich hat den Sprung ins nationale Sportgedächtnis nicht geschafft. „Das vergessene Fußballgenie“, so lautet der Untertitel der Biografie, die der in Rio de Janeiro lebende Sporthistoriker und -journalist Martin Curi soeben vorgelegt hat.

Curi ist es gelungen, ein Buch über den brasilianischen Fußball zu verfassen, ohne die Klischeemaschine anzuwerfen. Da ziehen keine Sambatrommler oder spärlich bekleideten Tänzerinnen durch die Seiten. Die Geschichte des Arthur Friedenreich spielt sich nicht nur auf dem Fußballplatz ab. Seine Karriere wird vor dem Hintergrund der politischen, und sozialen Realität gezeichnet.

1888, vier Jahre bevor Friedenreich geboren wird, tritt das Goldene Gesetz in Kraft, in dem die Sklavenbefreiung festgeschrieben wird. In São Paulo, Friedenreichs Geburtsstadt, sorgt der Kaffeeboom für Reichtum unter den Händlern und Produzenten und für eine schier unvorstellbare Bevölkerungsexplosion. Ans Fußballspielen denken zunächst nur die Kinder der wohlhabendsten Familien, die den Sport in England kennenlernten. Die Klubs waren überaus elitär. Dass ein Schwarzer wie Friedenreich dort einmal reüssieren könnte, war lange nicht vorstellbar. Er war ein Grenzgänger – als Kind eines Deutschen hatte er Zugang zu Bildungsanstalten, in denen auch Fußball gespielt wurde. In den Flussauen São Paulos spielte er mit anderen Schwarzen und fand zugleich Aufnahme in einem Eliteklub. Doch wohl fühlte er sich dort nicht. Sein Haar hat er mit Gel geglättet. Er war ein Ausnahmespieler, aber als Schwarzer blieb er lange die Ausnahme in der Eliteliga.

Curis Friedenreich-Biografie ist auch eine Geschichte des „Rassismus à Brasileira“. Dass der Staatspräsident 1921 entschied, keine schwarzen Spieler zur Südamerika-Meisterschaft zu schicken, hat auch Friedenreich getroffen. Dass in der Nationalmannschaft in jener Zeit die Erfolge ausblieben, hat auch einen rassistischen Hintergrund und ist einer der Gründe, warum der Stürmer aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwand, obwohl er 1.239 Tore in seiner Karriere geschossen haben soll.

ANDREAS RÜTTENAUER

■ Martin Curi stellt sein Buch „Friedenreich“ (Verlag die Werkstatt, Göttingen 2009) heute in Berlin vor: 19 Uhr, Baiz, Christinenstr. 2