SCANNER IM KOPF
: Den kennst du auch?

Nein, ich kenne keinen beim Auswärtigen Amt

Das Leben auf dem Lande hat viele Vorteile. Wenn ich jemanden treffe, den ich vom Gesicht her kenne, aber nicht einordnen kann, ist das keine Angelegenheit, die mich tagelang quälen muss – ich frage einfach eine Freundin, beschreibe die Person, und schon hat man den Namen und einen Zusammenhang!

Was daran so toll ist? Nach jedem Ausgehen in der Stadt frage ich mich tagelang, woher ich dieses Gesicht, das da so unvermutet in der Kneipe auftauchte, kenne. Mein Gehirn scannt wieder und wieder die letzten zwei, drei Jahrzehnte durch, mit Glück bleibt es nach ein paar Tagen an einer Stelle hängen und ich habe die Lösung – oder es stellt das Scannen nach einer Weile ein.

Gorgonzola Club in der Dresdner Straße: Ein rothaariger Typ kommt auf meine Freundin Dorle und mich zu. Er grüßt Dorle und sieht mich fragend an. Wir glotzen ein wenig irritiert, keiner traut sich was zu sagen, er geht. „Ich kenn den irgendwoher.“ „Martin.“ „Und was macht der?“ „Ist beim Auswärtigen Amt für die ausländischen Gäste zuständig oder so.“ Ich kenne keinen beim Auswärtigen Amt. Es nervt.

Am frei gewordenen Nebentisch platziert sich eine Gruppe Dreißigjähriger. Ein Typ, blond, etwas fusseliger Dreitagebart, nettes Gesicht, unauffällig. Ich kenne ihn. Der Scanner schaltet sich ein. Ich versuche den neuen Gast zu ignorieren, was nur schwer geht, da der Blonde auch immer wieder ganz nett zu unserem Tisch herüberschaut. „Möchtest du wissen, woher du ihn kennst?“, fragt schließlich Dorle. „Den kennst du auch?“ „Ja, er heißt Daniel Brühl.“

Am nächsten Tag hat der Scanner es geschafft: wie beim Einarmigen Banditen rastet neben Martins Gesicht ein weiteres ein: das meiner Freundin Sabine. Ich habe sie seit dreizehn Jahren nicht gesehen. Martin war damals ihr Freund, den ich drei-, viermal gesehen habe, als er sie besuchen kam in ihrer WG in Bayern. ELKE ECKERT