IN ÖSTERREICH WERDEN DIE GESETZE SCHLAMPEREIEN ANGEPASST
: Schwarz-blaue Umfärbung

Selten ist in Österreich ein Gesetz so dreist den schlechten Verhältnissen angepasst worden wie gestern das zur Umweltverträglichkeitsprüfung für Großprojekte. In der Steiermark hatte der Bundesumweltsenat ein gigantisches Motorsportzentrum verhindert. In Kärnten droht der Bau eines Fußballstadions für die EM 2008 zu scheitern, weil irgendjemand – mutmaßlich Landeshauptmann Jörg Haider selbst – das Ausschreibungsverfahren torpediert hat. Die eingetretene Verzögerung hat zwar nichts mit Umweltauflagen zu tun, doch wird die Zeit infolge der Intrigen so knapp, dass eine ordentliche Prüfung der Umweltverträglichkeit die zeitgerechte Fertigstellung des Prestigeprojekts gefährden könnte. Und es gibt weitere Beispiele.

Die Landesregierungen, die bei ihren Wählern oder Sponsoren im Wort sind, haben schlampig gearbeitet oder sind über ihre eigenen Machtspiele gestolpert. Doch anstatt eine ernsthaftere Politik zu betreiben, passt der Gesetzgeber jetzt die Rechtslage an die eigene Unzulänglichkeit an. Die Formulierung der Novelle verrät, dass drei bestimmte Projekte durchgepeitscht werden sollen. Nach diesem Muster arbeitet die von Wolfgang Schüssel geführte ÖVP-FPÖ-Koalition schon von Anbeginn. Gibt es irgendwo ein Gremium, wo die Opposition noch die Mehrheit hat, so ändert man das Gesetz, bis alles schwarz-blau umgefärbt ist. So geschehen beim Hauptverband der Sozialversicherungen und bei der Österreichischen Hochschülerschaft. Und weil die Verschärfung der Asyl- und Fremdengesetzgebung nicht völkerrechtskonform gelingen mag, fordert man eben die Anpassung der Europäischen Menschenrechtskonvention an die österreichischen Vorstellungen.

Gerade in Umweltbelangen ist Österreich, das früher als Vorbild galt, hoffnungslos ins Hintertreffen geraten. Von der Erfüllung der Kioto-Ziele ist man weiter entfernt als die meisten anderen Industrieländer. Mit der jüngsten Novelle hat sich die Bundesregierung nicht nur von Kioto verabschiedet. Sie hat den schludrigen Umgang mit der Umwelt und die Verachtung von Bürgerrechten zum Prinzip erhoben. RALF LEONHARD