UN-Offensive gegen Kongos Milizen

Blauhelme starten einen Großangriff auf die Miliz, die im Distrikt Ituri letzte Woche neun ihrer Soldaten getötet hatte. Ein blutiger Zusammenstoß fordert über 50 Tote, offenbar zumeist Zivilisten. Die UNO will sämtliche Milizen zerschlagen

AUS GOMA DOMINIC JOHNSON

Die UN-Truppen in der Demokratischen Republik Kongo haben zum Schlag gegen Milizen im nordostkongolesischen Kriegsdisktrikt Ituri ausgeholt. Nach UN-Angaben wurden bei einem Zusammenstoß mit der Lendu-Miliz FNI (Nationalistische Kräfte zur Integration) am Dienstag „50, vielleicht 60, vielleicht auch mehr“ Kongolesen getötet.

Die FNI war für den bisher blutigsten Angriff auf UN-Soldaten im Kongo verantwortlich, bei dem am Freitag in der Nähe eines Vertriebenenlagers im Dorf Kafe neun UN-Soldaten aus Bangladesch in einem Hinterhalt getötet worden waren. Parallel zu der Offensive wurde die FNI-Führung auseinander genommen: FNI-Chef Floribert Ndjabu wurde in Kongos Hauptstadt Kinshasa festgenommen, zwei weitere FNI-Führungsmitglieder kamen in Hausarrest und ein FNI-Kommandant in Ituri stellte sich freiwillig der UNO.

Wie der Generalstab der UN-Mission im Kongo (Monuc) gestern mitteilte, kam es am Dienstag zu dem Gefecht, als die FNI einen UN-Konvoi aus Panzerfahrzeugen und Truppentransportern, begleitet von Kampfhubschraubern, in Loga rund 30 Kilometer nördlich von Ituris Hauptstadt Bunia anhielt. „Als das erste Panzerfahrzeug sein Ziel erreichte, geriet es unter Beschuss“, erklärte der französische UN-General Jean-François Descurie auf einer Pressekonferenz in Kinshasa. „Der Beschuss war sehr intensiv, und unsere Antwort war entsprechend.“ Zwei pakistanische UN-Soldaten wurden verletzt. Auf die Opferzahlen unter den Kongolesen ging der General nicht ein.

Noch nie zuvor sind UN-Truppen im Kongo so robust gegen Milizionäre vorgegangen – aber noch nie war die UNO im Kongo so schwer unter Beschuss geraten. Noch 2003, als sich in Ituris Hauptstadt Bunia Lendu- und Hema-Milizen Schlachten lieferten und hunderte Zivilisten starben, blieben die dort stationierten Blauhelmtruppen untätig und wurden von den Milizen ignoriert. Inzwischen ist die Monuc in Ituri viel aktiver. Seit die organisierten Vertreibungen von Hema durch Lendu-Milizen vor zwei Monaten wieder einsetzten und über 70.000 Hema-Zivilisten sich unter UN-Schutz begaben, schwärmen die Blauhelme immer tiefer in die Milizenhochburgen aus. Der FNI-Angriff auf die UNO erfolgte einen Tag nach der Verhaftung von 27 FNI-Kämpfern durch UN-Soldaten.

Der UN-General betonte, die blutig verlaufene „Reaktionsoperation“ sei „innerhalb unseres Mandats, kongolesische Zivilisten gegen Übergriffe zu schützen“, geschehen. Er warf den Milizionären vor, Zivilisten als „menschliche Schutzschilde“ eingesetzt zu haben, womit er indirekt zugab, dass die meisten der 50 oder 60 Toten Zivilisten waren. „Zivilisten mit Waffen“ von unbewaffneten Zivilisten zu unterscheiden, sei sehr schwer.

Die FNI ist eine von rund einem halben Dutzend Milizen in Ituri. Im gesamten Ostkongo gibt es jedoch sehr viel mehr Milizen. Sie schließen sich dem Friedensprozess nur sporadisch an. Ansonsten setzen sie ihre militärischen und wirtschaftlichen Aktivitäten fort – zum Leidwesen der Bevölkerung. In Ituri will die UNO nun offenbar ein Exempel statuieren. General Descurie sagte: „Die bewaffneten Gruppen werden entwaffnet werden, die illegalen Steuereintreibungsposten und die Lager der Milizen werden aufgelöst werden.“

Schlechte Auswirkungen hat der Krieg der UNO gegen die FNI offenbar auf die Lage der Vertriebenen im Kampfgebiet. Die humanitäre UN-Abteilung OCHA gab Anfang der Woche die Suspendierung sämtlicher humanitärer Hilfe für 54.000 der 70.000 UN-versorgten neuen Vertriebenen bekannt.