Der Sandsack ist jetzt zugebunden

Nach neunmonatigem Verhandlungsmarathon scheint es doch noch ein neues Hochwasserschutz-Gesetz zu geben

BERLIN taz ■ „So etwas“ hat Winfried Hermann „noch nie erlebt“. „So etwas“ ist der regierungsamtliche Entwurf des neuen Hochwasserschutzgesetzes, „noch nie“ das monatelange, zähe Feilschen zwischen roten und grünen Landes-, Bau- und Umweltpolitikern. „Erlebt“ hat Hermann diese als Verhandlungsführer der Grünen. Und er ist ziemlich froh: Nach neun Monaten scheint es vorbei, seit Dienstag gibt es einen Kompromiss.

„Wir dürfen nicht nachgeben, schon weil uns die taz dann zu Recht Versagen vorwerfen würde“, hatte kürzlich der grüne Fraktionsvize Reinhard Loske erklärt. Nachzugeben galt es Rheinland-Pfalz, das gegen ein striktes Bauverbot des Regierungsentwurfes ist, und Brandenburg, das das strikte Ackerverbot kippen wollte. Mit den Stimmen der beiden SPD-geführten Länder drohte das neue Hochwasserschutzgesetz an einer Zweidrittelmehrheit im Bundesrat zu scheitern. Jetzt erklärt Margit Conrad (SPD), Umweltministerin von Rheinland-Pfalz: „In den wesentlichen Punkten haben wir uns gegen die Hardliner durchgesetzt.“ Konkret: Bauen bleibt erlaubt – unter strengen Auflagen.

„Uns wäre natürlich lieber gewesen, das neue Gesetz ließe überhaupt keine Ausnahmen zu“, sagt Hermann. Besser aber ein Gesetz mit Ausnahmen als kein Gesetz. Und: Ja, es sei ein Kompromiss, „aber einer, in dem die Lehren aus dem Hochwasser 2002 trotzdem berücksichtigt bleiben“. Bauen ist danach in so genannten HQ-100-Gebieten verboten – jene Gegenden, die statistisch gesehen einmal in 100 Jahren überschwemmt werden –, außer wenn neun sehr strenge Ausnahmetatbestände vorliegen: Erstens muss eine bauwillige Kommune nachweisen, dass sie über keinen anderen Bauplatz verfügt. „Das trifft nur auf sehr wenige Siedlungen zu, für die andernfalls das neue Hochwasserschutzgesetz praktisch einen Baustopp mit sich gebracht hätte“, so Hermann. Zweitens muss die Kommune den Nachweis erbringen, dass der Neubau keine Gefährdungen für Leben mit sich bringt. Gebaut werden darf drittens bis siebentens nur, wenn Hochwasserabfluss, -vorsorge und -schutz gewährleistet, Hochwasserrückhaltung nicht gegeben ist. „Im Grunde genommen heißt das: Man kann nur auf Stelzen oder Inseln bauen“, urteilt Hermann. Achtens muss nachgewiesen werden, dass keine Gefahr für Ober- oder Unterlieger entsteht, und neuntens muss hochwassergerecht gebaut werden.

Mit diesem Kompromiss wird sich nun der Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und -rat Mitte März befassen. Passiert er den Bundesrat, müssen die Länder dann die neuen Standards in ihre Landesgesetzgebung einarbeiten. Sosehr es Winfried Hermann zu wünschen wäre, das Bundesumweltministerium hält beim Thema mittlerweile alles für möglich. Dort heißt es zum Kompromiss und dessen möglicher Behandlung im Bundesrat: „Ein Ergebnis bleibt abzuwarten.“ NICK REIMER