Österreich genügt Umweltschutz light

Eine ökologische Verträglichkeitsprüfung ist für Großprojekte in Österreich künftig nicht mehr zwingend. Jede Landesregierung kann selbst entscheiden, ob ihr Umwelt oder Wirtschaft wichtiger ist. Umweltverbände haben kein Einspruchsrecht mehr

AUS WIEN RALF LEONHARD

Fußballstadien, Skiliftanlagen, Autorennstrecken und ähnliche Großprojekte bedürfen in Österreich künftig nicht mehr zwingend einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), wenn sie durch internationale Verträge zustande kommen. Das gilt auch für die Wiedererrichtung von Rennstrecken. Das beschlossen die Regierungsparteien gestern im Nationalrat gegen die Stimmen der Opposition.

Die Gesetzesnovelle wurde in letzter Minute im parlamentarischen Unterausschuss auf Antrag von Umweltminister Josef Pröll (ÖVP) noch etwas entschärft. Während Pröll selbst sich befriedigt über den „guten Kompromiss“ zeigte, den er gegen die neoliberale Lobby der eigenen Partei durchsetzte, sprach die Grüne Eva Glawischnig, Vorsitzende des Unterausschusses, von einer „UVP light“, die „weniger Information, spätere Information“ für die Betroffenen bringe.

Die entscheidende Änderung ist, dass nun die jeweilige Landesregierung entscheiden soll, ob eine UVP angestellt werden muss. Dagegen können die betroffenen Gemeinden und die unmittelbaren Nachbarn Einspruch einlegen. Bürgerinitiativen oder Umweltorganisationen werden kein Recht mehr dazu haben. Während bei einer ordentlichen UVP rund 2.000 Beteiligte angehört werden müssen, begnügt man sich bei einer Einzelprüfung mit 10.

Offenkundiger Anlass für die Entscheidung war der negative Bescheid des Bundesumweltsenates über den Bau eines gigantischen Motorsportzentrums an der ehemaligen Formel-1-Rennstrecke bei Spielberg in der Steiermark. Die Landesregierung hatte die Umweltauflagen nicht berücksichtigt, woraufhin sich Großinvestor Dietrich Mateschitz beleidigt zurückzog. Den politischen Schaden trägt Landeshauptfrau Waltraud Klasnic (ÖVP), die die Belebung der Region und Jobs versprochen hatte.

ÖVP-Vertreter bestreiten jeden Zusammenhang der Novelle mit dem Spielberg-Debakel. Ehrlicher war FPÖ-Umweltsprecher Klaus Wittauer, der zugab, Spielberg sei Anlass gewesen, „darüber nachzudenken“. Schließlich gehe es um Arbeitsplätze, die heimische Wirtschaft, Werbung und nicht zuletzt das Ansehen Österreichs. Der Umweltsprecher der SPÖ, Jan Kai Krainer, bezweifelt, dass die Neuerung EU-rechtskonform ist. Krainer: „Man beschneidet Bürgerrechte.“

Auf Unverständnis stieß die Novelle auch bei Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP). Der Onkel des Umweltministers trotzte der Parteilinie: „Niederösterreich wird davon keinen Gebrauch machen.“ Mit der alten Regelung habe man sehr gut gelebt. Nun würden Unternehmer, die ein UVP-Verfahren nach bisherigen Regeln abzuwickeln haben, benachteiligt.

In den zehn Jahren, seit die UVP für Großprojekte zwingend vorgeschrieben ist, wurden 126 Anträge eingereicht. 55 davon laufen noch. Nur 7 Fälle wurden negativ beschieden, meist aus formalen Gründen. Inhaltliche Einwände gab es nur gegen den Ausbau eines Skigebietes in Tirol – und eben gegen das Motorsportzentrum in Spielberg.

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