Alle pflegen alle

SPD-Linke fordern Bürgerversicherung im Pflegesystem. Pflegekassen erst nach der Bundestagswahl 2006 leer

BERLIN taz ■ Andrea Nahles, Nachwuchskraft im Präsidium der SPD, will die Partei „auf Kurs Bürgerversicherung in der Pflege bringen“. Da sich die SPD im Grundsatz auf die Einführung der Bürgerversicherung im Gesundheitssystem geeinigt habe, sei es nur logisch, auch das Pflegesystem so umzubauen, sagte Nahles am Dienstagabend.

Nur noch zwei Jahre sei für den Umbau der Pflege Zeit. So lange, hat der Kölner Gesundheitsökonom Karl Lauterbach ausgerechnet, reichen die Reserven der Pflegeversicherung. Die Erhöhung der Pflegebeiträge für Kinderlose auf 1,95 Prozent (Eltern: weiterhin 1,7 Prozent) schaffe genug Erleichterung bis zur Bundestagswahl 2006, erklärte Lauterbach. 2008 sind die Pflegekassen leer.

Gegenwärtig bekommen rund 2 Millionen Menschen Pflegeleistungen. Durch das Altern der Gesellschaft steigt der Anteil der Pflegebedürftigen jedoch steil an. Unbestritten ist, dass Demenz beim Zumessen von Leistungen endlich berücksichtigt werden muss. Auch soll es Anreize geben, eher zu Hause zu bleiben, als ins Heim zu gehen.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt will „im zweiten Halbjahr 2005“ ein Reformkonzept vorlegen. Mit der Bürgerversicherung in der Pflege ziehen Nahles und Lauterbach jedoch an Schmidt vorbei. „Ich verstehe dies als Aufschlag“, erklärte Nahles. Die Zahlen zeigten: Würden die jetzt privat Pflegeversicherten ins allgemeine Pflegesystem einbezogen, könnte bis 2015 der Beitragssatz stabil bleiben und die Versorgung insbesondere für Demente verbessert werden.

Zehn Prozent der Bevölkerung sind privat versichert, weil sie über 3.900 Euro im Monat verdienen, selbstständig oder Beamte sind. Weil es Privatversicherten meist gut geht, werden sie seltener pflegebedürftig. Deshalb hat die private Pflegeversicherung Überschüsse, und Privatversicherte zahlen weniger als gesetzlich Versicherte. „Man muss gut verdienen, um wenig zu bezahlen: Es handelt sich um ein umgekehrtes Solidarsystem“, erläuterte Lauterbach.

Würden Privatversicherte dagegen die gleichen Beiträge entrichten wie der Rest der Bevölkerung und würden Kapitaleinkünfte beim Berechnen der Beiträge herangezogen, wäre die Pflege saniert – für alle. Privatversicherte müssten also draufzahlen. Es ist absehbar, wer sich dagegen wehren wird. UWI

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