leserinnenbriefe
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■ betr.: „Keine Geschäfte mit den Mullahs“,taz vom 29. 6. 09

Geld wichtiger als Moral

Die Bundesregierung fordert von deutschen Unternehmen, sich selbst zu beschränken, wohlwissend, dass diese nach dem Motto handeln: „Geld stinkt nicht.“ Die Bundesregierung verdrängt, dass das am Geld klebende Blut sehr wohl stinkt. Dazu passt das Zitat der SPD-Politikerin Uta Zapf: „Moral kann man von den Firmen nicht erwarten.“ Wenn die Bundesregierung das genauso sieht, muss sie handeln, um nicht gemeinsame Sache mit den Helfern von Unterdrückung, Mord und Totschlag zu machen. Weder Waffen, Teile zum Bau derselben noch Gegenstände zur Ausspähung von Menschen dürften in den Mittleren Osten exportiert werden, auch nicht nach Israel. Aber das Primat der Wirtschaft ist für die Bundesregierung ja stets wichtiger als Moral. Daher wird auch jede Regulierung des Bankensystems (Hedgefonds) weit hinten angesetzt. Eine Änderung des unsolidarischen Verhaltens unserer Wirtschaftselite kann kurzfristig nur durch regulierende Gesetze erreicht werden. HANNES KÜPER, Werne

■ betr.: „Patchwork of Pop“, tazzwei vom 29. 6. 09

Patchwork-Familien ohne Chaos

Weshalb hätte man sich die Jackson-Waisen als „das beeindruckendste Beispiel für eine hypermoderne Patchworkfamilie“ vorzustellen, „das man sich nur wünschen kann“? Und wer würde beeindruckt?

Aber vor allem: was hat die bizarre Situation der bei Oma untergebrachten Kinder des kranken, einer schwer dysfunktionalen Herkunftsfamilie entstammenden King of Pop und seiner Leihmütter bloß mit den Millionen real existierender Patchwork-Familien zu tun, in denen auf natürlichem Weg entstandene Kinder zusammen mit ihren leiblichen Eltern „teilen“ plus Stiefmüttern und -vätern tapfer an individuellen Lösungswegen für ihr Zusammenleben arbeiten? Und das meist ernsthaft und liebevoll, mit langfristigem Bemühen aller Seiten? Und schließlich: Wieso diffamiert Frau Zylka mit dem Schlusssatz hier suggestiv die Patchwork-Familie als Ort des Chaos, obwohl diese zunehmend als wichtiger, strukturbildender Lernort für familiäre Individuation innerhalb der Gesellschaft betrachtet werden kann? HILTRAUD KRÜGER, Oberhausen

■ betr.: „Lage bei Quelle schlimmer als gedacht“, taz vom 29. 6. 09

Gewinne für SteuerzahlerInnen?

Oh je, dem Versandhaus Quelle geht es schlecht. Aber wieso sollen es im Zweifel meine Steuergroschen richten? Madelaine Schickedanz ist auf der Milliardärsliste von Forbes mit etwa 5,5 Milliarden Dollar auf Platz 142 (2008). Da werden doch wohl ein paar Kröten für den Versandhandel übrig sein, oder? Als die Chose jedenfalls noch lief, wurden die Gewinne ja auch nicht dem Steuerzahler geopfert, nicht wahr?

WOLFGANG SIEDLER, Langenhagen

■ betr.: „Streit um Überhangmandate“, taz vom 29. 6. 09

Schöne Demokratie!

Es ist schon äußerst befremdlich, wie die SPD sich durch ihr politisches Handeln immer mehr ins Abseits begibt! Mit dem arbeitgeberfreundlichen Kanzler Schröder, der das Wählervolk am Anfang noch täuschen konnte, aber einen Oskar Lafontaine nicht, begann das Dilemma in der ehemaligen Arbeiterpartei. Als Juniorpartner in der großen Koalition hat man jedoch noch immer nicht aus seinen Fehlern gelernt und flüchtet sich in kleinkarierte und taktisch politische Manövern und Gesten, die wenig staatsmännischen Führungsstil erahnen lassen! So ist man auch jetzt wieder zu feige, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes gegen die CDU und mit den Stimmen der Linken und der Grünen durchzusetzen, die die Abschaffung der Überhangmandate im Bundestag zur Folge hätte. Lieber spielt man auf Zeit und riskiert damit einen weiteren Absturz in der Wählergunst. Eine schöne Demokratie haben wir da, und die SPD mischt kräftig mit am Niedergang! THOMAS HENSCHKE, Berlin

■ betr.: „Joschka Fischer jobbt für Energiekonzerne“,taz vom 27. 6. 09

Joschka Fischer überrascht nicht

Die berufliche Neuorientierung von Joschka Fischer kommt nicht unbedingt überraschend. Schließlich ist die Distanz zwischen Wirtschaft und Politik in Deutschland besonders gering ausgeprägt. Dies belegen unter anderem die Fakten, dass Lobbyisten sich im Bundestag akkreditieren lassen können und damit Hausrecht genießen, einige Politiker Aufsichtsratsmandate im zweistelligen Bereich besitzen und die Hürden für einen Wechsel aus den Ministerien in die Privatwirtschaft hierzulande wesentlich niedriger liegen als zum Beispiel in den USA. Da verwundert es nicht, dass die Berliner Republik sich weiter hartnäckig weigert, die Antikorruptionsrichtlinie der UN umzusetzen, auch wenn dies für sie äußerst peinlich ist!

RASMUS PH. HELT, Hamburg