: Fuck you right back
Prunksters (21) – die wöchentliche Kolumne aus den USA von Henning Kober. Heute: Hippies und ein Material Girl
Ein schöner Tag. Die paar Wolken pastellfarben in den Himmel gemalt. Wir rauschen über den Sunset Boulevard, raus aus der Hyperwelt Hollywood, runter zum Meer. Aus den Boxen spielt Bauhaus, „She’s in Parties“. Letzte Woche, als ich noch selbst fuhr, dachte ich, Los Angeles sei Gleiten. Konstante 35 Meilen, etwa 55 Kilometer pro Stunde. Aber jetzt heißt mein Fahrer Jake und seine Regeln sind: „Go with the flow“. Er gibt unserem geliehenen, goldenen BMW viel Gas an der Ampel, schlängelt über die Spuren, füllt Lücken, sanft, wenn Cops cruisen. Entspannt mit einem Wodka Cranberry im Blut. Sehr wie in Stuttgart. Auch die Kurven stimmen. Ab der Hälfte von Beverly Hills ist der Sunset über Hügel eine hübsche Achterbahn. Das ist unser Weg.
Dann stehen wir in Venice auf dem Ocean Front Walk. Promenade unter Palmen, Kinder auf Skateboards, Basketball-Gangs, der Pazifik ein großes Glitzern. Vor allem: Meine Nike Terminator’s stehen mitten in einem bunten Streifen Hippie-Staat. Künstler verkaufen ihre Werke, zahnlose Damen schämen sich ihres Joints nicht, schwarze Jungen haben Sonnenblumen im Haar. Gern vergessen, das alles wurde hier erfunden. Im Hintergrund hoch gestellt eine Wand. Weiß auf Rot steht: „Stadt der Engel“. Was mir bisher am besten gefällt an diesem Land: Amerika ist das Material Girl der Welt. Jake, der in der sechsten Klasse Highschool zum am besten gekleideten Schüler gewählt wurde und allein schon deshalb ein prima Prunkster ist, zieht zu „Aardvarks“, einem Atlantis der neuen Kleider. Wir probieren, kaufen, packen ein, weiße Engelsflügel, riesige Plateauschuhe in schwarz-weißen Streifen, Sonnenbrillen in allen Stimmungs-Farben, japanische Roboter und rosa Armbänder zu Gunsten der Brustkrebs-Forschung. Die Kinks spielen „Set me Free“. Draußen fällt die Sonne ins Meer.
Draußen kommt auch einer, der seinen Körper in einem Kleid aus T-Shirt versteckt, nicht mit den Flügeln klar. Für einen Moment ist die Welt böse, aber es interessiert mich nicht wirklich und ich denke: aus den Augen, aus dem Sinn. Aber Jake schreit: „Fuck you right back“ und fängt an mit dem Typen Worte hin und her zu werfen. Und das ist vielleicht sehr amerikanisch oder einfach klug. Später sitzen wir am Strand in der ersten Reihe, schauen in die rote Sonne. Taylor kann elegant schlanke Joints bauen und Steine über das Wasser springen lassen. Um die Santa Monica Mountains liegt blauer Nebel. Es ist gut.
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