ZYPRIES HAT EIN GESTÖRTES VERHÄLTNIS ZUR MEINUNGSFREIHEIT
: Justizministerin mit falschem Eifer

Manchmal ist es auch in der Demokratie unumgänglich, den freien Austausch von Meinungen und Schriften einzuschränken. So ist die Beleidigung ebenso strafbar wie die Aufstachelung zum Rassenhass und die Leugnung des Holocaust. Doch sollte jede Einschränkung der Meinungsfreiheit auf das engste Maß beschränkt bleiben.

Für Justizministerin Brigitte Zypries gehören neue Zensurmaßnahmen inzwischen aber zum Standardrepertoire. So soll jetzt auch die Leugnung und Verharmlosung von Völkermorden und Kriegsverbrechen im Ausland mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Ein rechtspolitisches Bedürfnis dafür gibt es zwar nicht. Aber was unappetitlich ist, kann ja wohl nicht erlaubt sein, so die Botschaft von Zypries.

Das passt zur Bilanz der Ministerin in diesem Jahr. So wollte sie schon die Verharmlosung der NS-Herrschaft unter Strafe stellen – ein uferloser Tatbestand, der auch jeden schiefen Vergleich von Kardinal Meisner in die Nähe des Strafrechts gerückt hätte. Und als der englische Prinz Harry sich mit NS-Abzeichen zeigte, sah Zypries sofort die Chance, Europa mit neuem einheitlichen Zensur-Recht zu beglücken. Beide Vorstöße scheiterten.

Und hoffentlich wird der Bundestag jetzt auch die inflationäre Einführung neuer Leugnungs-Straftaten ablehnen. Wenn Peter Handke für Milošević schwärmt und auf dem Balkan keine serbische Aggression erkennen kann, dann mag er sich mit so viel Einseitigkeit blamieren. Ein Fall für den Staatsanwalt ist er nicht. Was wären das für historische und zeitgeschichtliche Debatten, bei denen Historiker, Schriftsteller und Journalisten erst mal ins Strafgesetzbuch schauen müssen, bevor sie vom Mainstream abweichende Positionen äußern?

Zypries nährt mit ihren Initiativen nur die populistische Vorstellung, der Staat solle einfach alles verbieten, was für öffentliche Aufregung sorgt. Doch das ist nicht die Konzeption des Grundgesetzes, das eine möglichst freie Kommunikation garantiert. Gerade die Justizministerin sollte das verinnerlicht haben. CHRISTIAN RATH