berliner szenen Der Zauberberg

Mittelviel Bier

Gegen Ende des Heimwegs befällt mich wieder diese Schwäche: kalter Schweiß auf der Stirn, Kreislaufprobleme. Das habe ich oft, wenn ich mittelviel Bier getrunken habe und danach länger mit dem Rad fahre. Nicht nach Wein, viel Bier oder wenig Bier, sondern stets nach mittelviel Bier. So komme ich niemals die Rollberge hoch.

Bleibt nur das „Ya Mas“. Da geh ich eigentlich nie rein, aber sonst hat hier um die Zeit nichts mehr auf und ich brauche jetzt unbedingt Zucker. Der Wirt guckt komisch, als ich einen Kaffee bestelle „mit viel Zucker“. Der Zucker allein hätte mir ja gereicht, aber wie sähe das denn aus – rein in den Laden, „Guten Morgen“, an den Tisch, Zuckerstreuer gegriffen, Schnabel auf, vier ordentliche Schübe rein und „tschüss“? Blöd sähe das aus.

Am Tresen sitzen drei Leute und unterhalten sich. Ich kann dem Thema nicht folgen. Sie selber auch nicht. Am Fenster sitzen zwei Frauen: Die eine braun gebrannt und bunt gekleidet, die andere blass und unauffällig. Die Schillernde spricht, die Blasse lauscht. Nur selten stimmt sie zu oder stellt eine Zwischenfrage. Es geht um einen Mann, der Zettel vergisst und nicht richtig einkaufen kann. Die Manier, in der dieses Manko geschildert wird, legt nahe, dass er geistig behindert ist und sie seine Betreuerin. „Manchmal glaube ich, dass er eine richtige Schacke hat“, sagt die Pflegerin. Es handelt sich wohl doch um ihren Freund. Ich bin jedenfalls wieder gesund und gehe. Der Wirt erwidert meinen Gruß nicht. Ich bin ihm nicht geheuer.

Oben, auf dem Flughafen Tempelhof, bellt ein Fuchs den Mond an. Das klingt, als ob ein kleines Kind hustet. Vielleicht hustet dort ein kleines Kind? Dann gehört es aber schleunigst ins Bett. ULI HANNEMANN