Der arabische Druck auf Syrien wächst

Um sich selbst aus der Schusslinie zu bringen, fordern arabische Regierungen immer drängender den syrischen Rückzug aus dem Libanon. Syrien versucht, sein Gesicht zu wahren und seine westliche Flanke militärisch nicht völlig ungeschützt zu lassen

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

„Syrien riskiert, als Paria behandelt zu werden“, erklärte gestern der britische Außenminister Jack Straw und setzte seinen Namen unter die lange Liste jener, die Syrien vehement auffordern, seine Truppen aus dem Libanon abzuziehen. Ähnliches war nur einen Tag zuvor von seinem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow zu vernehmen gewesen

Doch es sind vor allem die warnenden Stimmen aus der arabischen Welt, die den syrischen Präsidenten und Panarabisten Baschar Assad besonders schmerzen. „Du kannst es diesmal nicht aussitzen“, lautet die arabische Botschaft. Nirgends bekam Assad das deutlicher gesagt als bei seinem Kurzbesuch in Saudi-Arabien am Donnerstag. Der saudische Kronprinz Abdullah gilt als persönlicher Freund Assads, und dessen freundschaftlicher Rat lautete überraschend klar: „Ziehe deine Truppen so schnell wie möglich aus dem Libanon zurück.“

Abdullah forderte Assad auf, einen konkreten Zeitplan für diesen Rückzug zu veröffentlichen, um die libanesische Krise einzudämmen. Assads jüngste Erklärung gegenüber der amerikanischen Zeitschrift Time, seine Truppen innerhalb von Monaten zurückziehen zu wollen, scheint den Saudis nicht genug. „Arabische Regierungen können dem internationalen Druck in Sachen Syrien nicht standhalten, wenn sich die Syrer nicht sofort zurückziehen“, sagte der saudische Kronprinz unmissverständlich.

Abdullah hatte sich zuvor mit dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak getroffen, der Assad hinter den Kulissen die gleiche Botschaft vermittelt hat. Ein Sprecher Mubaraks meinte dazu diplomatisch: „Die ägyptischen Bemühungen zielen darauf ab, Syrien zu helfen, mit dem Druck der Rückzugsforderungen umzugehen und dabei gleichzeitig die libanesische Einheit und den Wunsch Libanons nach Unabhängigkeit in Betracht zu ziehen.“

Auch die arabischen Außenminister machten bei einem Treffen der Arabischen Liga am Donnerstag in Kairo deutlich, dass Damaskus nun endlich sein seit dem Abkommen von Taif 1989 gemachtes Versprechen eines Rückzuges aus dem Libanon einlösen solle.

Unterdessen versuchen die Syrer Rückzugsmodelle zu entwickeln, bei denen sie nicht das Gesicht verlieren. In arabischen diplomatischen Kreisen kursiert derzeit der syrische Vorschlag, die 14.000 syrischen Soldaten im Libanon auf 3.000 zu reduzieren und einige Radar-Frühwarnstationen im Libanon zu behalten.

Für das syrische Militär hat der Libanon eine besondere strategische Bedeutung, als Ausgleich für die im Nahostkrieg 1967 verlorenen und bis heute israelisch besetzten Golan-Höhen, von denen aus das israelische Militär jede Militärbewegung in Syrien beobachten kann. Wenn die syrischen Truppen sich auch aus der ostlibanesischen Bekaa-Ebene zurückziehen, wäre die westliche Flanke Syriens bei einem israelischen Angriff vollkommen ungeschützt.

Wie sehr die arabischen Länder unter Druck stehen, zeigt, dass die syrische Idee eines nicht vollständigen Abzugs aus dem Libanon sowohl von Saudi-Arabien als auch von Ägypten als „unpraktikabel“ abgelehnt wurde, wie aus diplomatischen Kreisen verlautet.

Der Generalsekretär der Arabischen Liga Amru Musa bezeichnete die Lage als „sehr ernst“. Bei den meisten arabischen Staaten wurde die „brüderliche Solidarität mit Damaskus“ inzwischen eindeutig von der Sorge abgelöst, selbst in die syrische Krise hineingezogen zu werden.