Fördern ist gar nicht so einfach

Konjunkturprogramm – ja oder nein? Wirtschaftsminister Clement dafür, Finanzminister Eichel dagegen. Der Kanzler will erst mal ausruhen. Ein Leitfaden durch den Dschungel der Vorschläge

von HANNES KOCH
UND ULRIKE WINKELMANN

Mitte kommender Woche will die rot-grüne Bundesregierung über das Wie und Ob eines neuen Konjunkturprogramms beschließen. Stichtag Mittwoch, Kabinettssitzung. Bis dahin habe Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) anderes zu tun. Zum Beispiel wolle er sich von seiner Arabienreise erholen, sagte Regierungssprecher Thomas Steg gestern. Derweil wird munter durcheinander diskutiert. Zur Sortierung hier eine Hilfe.

Warum ein Konjunkturprogramm? Die Zahl der registrierten Arbeitslosen hat mit 5,2 Millionen Menschen gerade ihren Rekord erreicht. Tendenz bis zum April: steigend. Im Mai wird in Nordrhein-Westfalen gewählt. Schlecht für Rot-Grün. Deshalb sind verschiedene Maßnahmen im Gespräch, die Arbeitsplätze schaffen könnten.

Die Maxi-Variante: Gewerkschafter und SPD-Linke wie Ottmar Schreiner plädieren für ein Zehn-Milliarden-Euro-Paket zugunsten der Städte und Gemeinden. Alles unterhalb dieser Schwelle, so Schreiner, würde verpuffen: „Wenn schon, dann muss geklotzt werden.“ Er setzt darauf, dass die EU sich im März auf eine Aufweichung der Stabilitätskriterien einigt – dann sei auch eine höhere Verschuldung wieder möglich. Entlehnt hat Schreiner die Idee von Gustav Adolf Horn, dem Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Horn schlägt vor, dass für maximal ein Jahr eine zusätzliche öffentliche Summe von zehn Milliarden Euro in kleinen Happen für städtische Investitionen zur Verfügung steht. Finanziert werden sollen Reparaturen etwa an Straßen und Schulen mit Zuschüssen von maximal 200.000 Euro. Beträge bis zu dieser Grenze können ohne EU-weite Ausschreibung vergeben werden und gingen damit direkt ans heimische Handwerk. Die Kalkulation: Die öffentliche Nachfrage sichert und schafft Jobs, die Leute geben mehr Geld aus, und über höhere Steuereinnahmen finanziert sich das Programm wie von selbst.

Die Mini-Variante: Die Mitarbeiter von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) überlegen, den Kommunen 2005 und 2006 bis zu drei Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Finanzminister Hans Eichel (SPD) ist dagegen. Die Funktionsweise wäre ähnlich wie beim Horn-Programm. Hinzu kommen könnte eine Investitionsförderung für Unternehmen über drei Milliarden Euro und drei Jahre. Investiert eine Firma nachweisbar mehr als vorher, sollen zehn Prozent der Investitionssumme als staatlicher Zuschuss fließen. Logik: Unternehmen geben mehr Aufträge heraus, die Zulieferer stellen mehr Beschäftigte ein.

Die Steuer-Variante: Dazu sagte Hans Eichel gestern: „Keine Chance in dieser Wahlperiode.“ Aber Clement geht seit Wochen damit hausieren und auch der Kanzler ist nicht abgeneigt. Überlegt wird, bei Unternehmen zwischen investierten und nicht investierten Gewinnen zu unterscheiden. Erstere sind in dieser Logik gut, weil die Firma etwas kauft und damit Produkte und Beschäftigung nachfragt. Dieses Geld könnte geringer besteuert werden als Gewinne, die an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Die Konzerne freuen sich schon: Natürlich würden sie ihren kompletten Gewinn irgendwie reinvestieren.

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