Opel ist jetzt wieder fahrtüchtig

Fünf Monate haben Firma und Gewerkschaft hart verhandelt. Mit Erfolg

AUS RÜSSELSHEIMKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

„Zukunftsvertrag“ nennt sich die Vereinbarung zwischen dem Vorstand der Adam Opel AG und dem Gesamtbetriebsrat des Unternehmens. Und eine Zukunft haben alle drei westdeutschen Werke der Traditionsmarke mit dem Blitz jetzt tatsächlich: wenigstens bis Ende 2010. Dann nämlich läuft der Vertrag aus. Mit dem Plazet der Muttergesellschaft General Motors (GM) in Detroit, USA, wird im Stammwerk in Rüsselsheim ab 2008 die neue Mittelklasse des Konzerns in Europa gebaut: Der Saab 9.3 und der neue Vectra. Geplant sei die Produktion von knapp 300.000 Fahrzeugen jährlich im Dreischichtbetrieb, sagten der Opel-Vorstandsvorsitzende Hans H. Demant und der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz gestern in Rüsselsheim.

Rüsselsheim hat also den von GM ausgeschriebenen internen Wettlauf mit dem Produktionsstandort von Saab im schwedischen Trollhättan gewonnen. Noch dazu soll das europäische Entwicklungszentrum in Rüsselsheim zukünftig – neben den USA – die „zentrale Rolle im globalen Entwicklungsverbund von GM spielen“. Damit jetzt in Trollhättan nicht alle Nordlichter ausgehen, bekam das dortige Werk von Saab den Zuschlag für die Montage des Cadillac in einer kompakteren Version für den europäischen Markt. Einige Modelle von Saab sollen auch zukünftig in Schweden gebaut werden.

Die Bochumer Opelwerker sollen den fünftürigen Astra bauen dürfen; sehr zum Missfallen der Beschäftigten der Werke von GM in Belgien und England, die sich gleichfalls Chancen ausgerechnet hatten. Im Europäischen Arbeitnehmerforum von General Motors sollen harte Worte gefallen sein. Der Bochumer Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel jedenfalls sah sich genötigt, den Kollegen im Ausland zu versichern, dass man von Deutschland aus auch zukünftig dabei „mithelfen“ werde, ihre Standorte zu sichern. Im Standort Kaiserslautern soll die „Motorenkompetenz gestärkt“ werden. Und es würden im Konzernverbund Aufträge für die Fertigung von Pressteilen und Chassiskomponenten in die Pfalz vergeben werden. Die Arbeitsplätze dort seien langfristig allerdings nur in Kooperation mit „einem oder mehreren kompetenten Partnern“ zu sichern.

Der Preis für den „Zukunftsvertrag“ war und ist allerdings hoch; in Bochum und Kaiserslautern höher als in Rüsselsheim. 4.500 Beschäftigte müssten den Automobilbaukonzern an den drei westdeutschen Standorten in diesen Tagen verlassen; 1.500 sollen in Bochum noch bis 2007 folgen. 3.500 Arbeitsplätze gehen über Vorruhestand und Altersteilzeit verloren. Insgesamt arbeiten dann noch 25.500 Menschen bei Opel. In Rüsselsheim werden es rund 15.000 sein; vor 25 Jahren waren es 40.000. Und die Arbeitnehmer werden einen Lohnzuwachsverzicht und eine Flexibilisierung ihrer Arbeitszeiten hinnehmen müssen. So ist für Rüsselsheim eine Nullrunde bei der Entgeltentwicklung für 2005 vorgesehen. Danach soll bei eventuellen Tariferhöhungen bis 2010 jeweils ein Prozentpunkt abgezogen werden. Für Bochum und Kaiserslautern wurden sogar jährliche Nullrunden bis 2010 vereinbart. Zukünftig kann das Unternehmen seine Mitarbeiter an 15 Samstagen im Jahr zur Arbeit rufen. Und bei Bedarf wird auch wieder 40 Stunden in der Woche gearbeitet. Das Weihnachtsgeld muss mindestens 70 Prozent eines Monatslohnes betragen (Tarif: 55 Prozent). Und als „großen Erfolg“ wertete Betriebsratschef Franz auch die Zusage des Unternehmens, jährlich 260 jungen Menschen einen Ausbildungsplatz anzubieten.

Im schwedischen Trollhättan gibt es eine deutlich verschlechterte Arbeitszeitregelung, mit 540 Entlassungen muss ein Zehntel der Beschäftigten gehen, der Rest hat keine Arbeitsplatzgarantie. Auf der Positivseite steht dagegen ein vages Versprechen, dass GM den Produktionsstandort bis 2008, eventuell 2010 beibehalten will. Für Rüsselsheim habe ganz unabhängig von den Zugeständnissen der deutschen Gewerkschaften von Anfang an gesprochen, dass dort die erforderliche Produktionskapazität bereits vorhanden war, begründete GM-Europachef Fritz Henderson auf einer Pressekonferenz in Trollhättan die Entscheidung. „Da wurden wir also gegen Rüsselsheim nur ins Rennen geschickt, um die Kollegen dort zu Zugeständnissen zu bringen“, kommentierte Leif Svensson, seit sechzehn Jahren in der Saab-Endmontage: „Ein übles Spiel.“ Die GM-Versprechungen, die Marke Saab sei auch in Zukunft von zentraler Bedeutung, wird mit der gebotenen Vorsicht genossen. Die einstige Nobelmarke steht gerade für ein Prozent des GM-Umsatzes, und Detroit hat mit ihr in vierzehn der letzten fünfzehn Jahre kräftige Verluste gemacht.

GM hat in den letzten acht Jahren in Europa rund 5 Milliarden Euro Verluste eingefahren. Dazu kommen Absatzprobleme von GM auch auf dem US-Markt. Ob die Geduld der „Mutter“ über die Vertragslaufzeit bis 2010 hinaus reichen wird, ist also für alle Standorte eine noch offene Frage. MITARBEIT:
KLAUS JANSEN (BOCHUM)
REINHARD WOLFF (STOCKHOLM)