Ikone auf Kurs

Bei ihrer Heim-WM holt Anni Friesinger am Ende Gold über 5.000 m und zeigt, dass sie bereits jetzt auf dem richtigen Weg nach Olympia in Turin ist

AUS INZELL JOACHIM MÖLTER

Am Samstagnachmittag war die erfolgsgewohnte Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) ihre größte Sorge los: ohne Titel zu bleiben bei der Einzelstrecken-WM in Inzell. Im Verbund mit den Erfurterinnen Sabine Völker und Daniela Anschütz hatte die einheimische Anni Friesinger die WM-Premiere des Team-Wettbewerbs gewonnen, 1,2 Sekunden vor den favorisierten Kanadierinnen. Wie groß die Anspannung bei der Heim-WM gewesen war, sah man daran, wie ausgelassen die Frauen nachher miteinander im Kreis tanzten, den Cheftrainer Helmut Kraus in ihrer Mitte. Für den war es eine Genugtuung, nachdem es in den Tagen zuvor viel Aufregung um dieses Team gegeben hatte, ausgelöst von der Berlinerin Claudia Pechstein, die sich von Kraus rausgemobbt fühlte aus der Gemeinschaft.

Am meisten Genugtuung dürfte trotz allem Anni Friesinger verspürt haben, die Inzeller Ikone. Die Weltmeisterschaften waren ja als Friesinger-Festspiele inszeniert worden: Alle Geschäfte in dem oberbayerischen Ort hatten die Schaufenster mit Anni-Plakaten dekoriert – und die hatte alles besonders gut machen wollen. „Es ist ja schön, vor den Freunden zu laufen, den Schulkameraden“, sagte sie, „aber es ist auch ein Druck.“ Die hohen Erwartungen schien die 1.500 m-Olympiasiegerin erst einmal nicht im Mindesten zu erfüllen. Auf ihrer Spezialstrecke hatte sie zum Auftakt ihren Titel an die Kanadierin Cindy Klassen abgeben müssen, was noch zu erklären war mit der Zehenverletzung, die sich Friesinger kürzlich beim Weltcup-Finale zugezogen hatte. Fünf Tage konnte sie nicht trainieren, die Zehe schmerzte auch in Inzell noch.

Als Anni Friesinger dann am Freitag beim 3.000-Meter-Rennen schon nach 250 Metern stürzte und in die Bande rauschte, schien sie zur tragischen Figur dieser WM zu werden. Ihre rechte Hand war geprellt, eine Kapsel im rechten Zeigefinger angerissen. Aber wenigstens ihr Selbstbewusstsein war intakt geblieben. „Ich denke, es ist nicht anmaßend, wenn ich sage, dass ich das auch geschafft hätte“, sagte sie über Klassens Siegerzeit von 4:10,37 Minuten. „Das hätte sie locker drauf gehabt“, pflichtete ihr Trainer Markus Eicher bei: „Wir wollten auf 4:07 hinaus.“ Trotz ihrer Malheurs bilanzierte Friesinger die Saison mit einem positiven Abschluss, vor allem, nachdem sie gestern nicht nur eine weitere Silbermedaille über die 1.000 m folgen ließ, sondern am Ende auch noch vor ihrer großen Rivalin Pechstein den Titel über 5.000 m gewann: „Ich habe alles richtig gemacht.“

Markus Eicher hatte ihr Training umgestellt für diese Saison, die Form kam später, aber gewaltig: Im Mehrkampf holte sich Friesinger den EM- und den WM-Titel ganz souverän. „Die Planung ist aufgegangen“, freute sich die Athletin, denn: „Die haben wir schon im Hinblick auf nächstes Jahr gemacht.“ Da finden wieder Olympische Spiele statt, dafür will sie das Training nur noch aufstocken, „noch mehr, noch schnellere Sachen“ einbauen. Dass sich das internationale Niveau in der vorolympischen Saison schon erhöht hat, sah man ja auch in Inzell.

Für Anni Friesinger bleiben also nur noch Kleinigkeiten zu tun für die Olympia-Saison: Sie braucht neue Kufen, und der neue Rennanzug muss auch noch optimiert werden. Und dann hofft sie, „dass wieder Friede einkehrt“. Der über die Medien ausgetragene Konflikt zwischen Claudia Pechstein und Bundestrainer Kraus habe die ganze Mannschaft belastet, sagt Friesinger. DESG-Präsident Gerd Zimmermann hat zwar bereits ein klärendes Gespräch zwischen den Kontrahenten versprochen, aber die Kommunikationsstörungen sind allem Anschein nach nicht mehr zu beheben. Dabei ließe sich die Schuldfrage gleichermaßen auf beide Parteien verteilen. Claudia Pechstein, die 3.000-m-Zweite von Inzell, ist ja auffälligerweise immer dabei, wenn es Ärger gibt in der DESG; und die Verbandsfunktionäre nehmen verlässlich jede Gelegenheit wahr, sich zu blamieren. In Inzell fabulierte der Sportdirektor Günter Schumacher von den drei großen Ks, die den Verband auszeichneten: Kommunikation, Kooperation, Konfliktmanagement. Dabei kam Schumacher zu dem erstaunlichen Schluss: „Die Punkte eins und drei funktionieren.“ Dabei war in den Tagen von Inzell zu sehen, dass allenfalls eins klappt: die Kooperation der Sportlerinnen Friesinger, Anschütz und Völker.