Zurück ins Leben

Mainz 05 gewinnt mal wieder und hofft nach dem 5:0 gegen Schlusslicht Freiburg, dass es so ähnlich weitergeht

MAINZ taz ■ So oft schon hat der Mainzer Trainer Jürgen Klopp vor der Presse seine Worte der emotionalen Begeisterung gestreckt, gezogen, gedehnt, dass es fast ein bisschen zu geil war. Da siegte sein Team nach dreieinhalb Monaten Jubelpause, beendete eine 433 Minuten während Phase ohne Torerfolg, ja räumte den SC Freiburg mit 5:0 vom Platz wie eine Lage Schnee von der Straße. Klopp aber blieb im Moment des Triumphes ruhig, beinahe emotionslos. Erst lange nach dem Schlusspfiff sprach er von einem „genialen Tag, ein Sensationstag“. Es hat mit Respekt zu tun, dass er fast nüchtern die Rückkehr seines FSV Mainz 05 in den Bereich der lebendigen Bundesliga-Teams analysierte.

Das Modell Mainz des ambitionierten Aufsteigers ist keine Kopie, aber doch eine Annäherung an das Vorbild aus Freiburg. Was Klopp an gefeierten Novitäten und nahezu anarchistisch anmutenden Sonderheiten in Mainz etabliert hat, ist gute Freiburger Schule. Entsprechend begegnet er seinem erfahrenen Kollegen Volker Finke mit Respekt. Klopp vermied es nach dem Sieg, durch allzu viel Lobhudelei an sein Team den Finger in die offen klaffende Freiburger Wunde zu legen nach 13 Gegentoren in einer Woche. „Es gibt schwarze Stunden“, philosophierte Finke über sein Dasein als SC-Trainer, „und heute war eine der schwärzesten.“ Einige entscheidende Aktionen misslangen in dieser Begegnung, sie ging mit 0:5 verloren, am Ende stand, wie so oft, seit Finke 1991 beim SC begonnen hat, die Frage nach seiner Demission. „Auch in dieser schwarzen Stunde hat sich gezeigt, dass die Mannschaft nicht auseinander fällt“, beantwortete Finke die Frage auf seine Weise, will heißen: die Mannschaft stehe hinter ihm.

Nach einem 0:5 davon zu sprechen, dass es keine klare Niederlage gewesen sei, hätte sich der Freiburger Coach nicht erdreistet, schließlich hätte man ihm nur die Liste mit den Mainzer Torschützen Gerber, Friedrich, Babatz, da Silva und Thurk reichen müssen. „Die Mannschaft ist nicht zerlegt worden“, konstatierte Finke. Er hatte Recht und Mainz das Glück, dass es sein altes Selbstbewusstsein wieder fand, obwohl der Gegner anfangs stärker und insgesamt ebenbürtig war. Die ersten zwanzig Minuten indes waren von jener zuletzt symptomatischen Minderwertigkeit der Rheinhessen geprägt. Die Spritzigkeit der frühen Hinrunde fehlte, Freiburg stand kompakt, Mainz verunsichert und im Aufbau konzeptionslos auf dem Platz. Antonio da Silva, von der technischen Fertigkeit ein Mann für Glanzmomente, holperte wie die anderen Antreiber Hanno Balitsch und Fabian Gerber über den Platz, als hätte die Nähe zu den Abstiegsrängen ihre Schuhe beschwert. Später rannte da Silva nach seinem 4:0 so leidenschaftlich übers halbe Feld, um seinem Trainer begierig in die Arme zu hüpfen, dass es schien, als steckte jemand anderes in seinem Jersey.

„Wichtig war, dass wir das 1:0 machen“, erklärte Christof Babatz nach der Partie. Eine auf den ersten Blick plumpe Aussage, aber von Gewicht, legte sie doch zwei Dinge offen: einmal die Initiative, das effektive Wollen. Dann den Fakt, dass Mainz doch treffen kann. Fabian Gerber langte nach 23 Minuten so formvollendet hinters Leder, dass es traumwandlerisch über SC-Keeper Richard Golz hinwegsegelte. Drei Minuten danach preschte Manuel Friedrich derart beherzt durch den Strafraum zum 2:0, dass der absolute Wille in jedem seiner Schritte steckte. „Wir leben wieder“, jubilierten die dick eingemümmelten Fans auf der Tribüne. Tatsächlich löste spätestens Friedrichs Tor die Blockade, die der FSV seit dem 1:0 gegen Bochum am 20. November mit sich rumschleppt. Die drei Tore, die zum 5:0 folgten, komplettierten schließlich die Erlösung. „Wir müssen nächste Woche auch gegen Bremen Gas geben“, forderte Manager Christian Heidel anschließend weitere Schritte ins Licht. Wenngleich für diese Partie wie für die nachfolgende gegen Schalke 04 besser Niederlagen eingeplant werden sollten, Trainer Jürgen Klopp hat gegen Freiburg erkannt, dass „wir wieder angefangen haben Fußball zu spielen“. Eine gute Woche vor dem Festakt zum 100-jährigen Bestehen des Vereins war dies auch bitter nötig. VOLKER BOCH