Kultur statt Berlin

DeutschlandRadio Berlin wagt den Relaunch – und vor allem einen höheren Wortanteil. Das soll für mehr Profil und mehr Zuhörer sorgen

VON HANNAH PILARCZYK

Zum zehnjährigen Geburtstag von DeutschlandRadio im Jahr 2004 schmierte der damalige Bundespräsident Johannes Rau dem Jubilar noch Honig ums Maul: „DeutschlandRadio zu hören, ist etwas Angenehmes.“ Ab heute könnte das „DRadio“-Hören für Johannes Rau und andere Freunde des öffentlich-rechtlichen Radios vorübergehend etwas unangenehmer, zumindest aber ungewohnter ausfallen: DeutschlandRadio Berlin, das Kulturpendant zum Deutschlandfunk, startet unter dem neuen Namen DeutschlandRadio Kultur eine umfassende Reform seines Tagesprogramms.

„Ein Radiofeuilleton aus Wort und Musik“, so Programmdirektor Günter Müchler, sollen die Sendestrecken zwischen 9 und 12 Uhr sowie zwischen 14 und 17 Uhr sein. Bisher füllten die opulenten Magazin-Sendungen „HörenSagen“ am Morgen und „Galerie“ am Nachmittag diese Plätze. Statt längerer Magazin-Stücke setzt das „Radiofeuilleton“ auf stärkere Strukturierung und kürzere Taktung: Jeweils um halb gibt es nun dreiminütige Kulturnachrichten, anschließend eine Buch- oder Filmrezension, gefolgt von bunten Kulturtipps. Den Abschluss der Sendestunde bildet jeweils eine „Wurfsendung“, eine Hörspiel-Miniatur, die der Zufallsgenerator zusammenpuzzelt.

Das wird nach der Programmreform aber die einzige Spielerei bleiben. „Dem Sender wird das Experimentelle ausgetrieben“, sagt ein Mitarbeiter. Tatsächlich orientiert sich DeutschlandRadio Kultur stärker an der umstrittenen Durchformatierung, wie sie bei den Kulturradios der ARD-Landessender in den letzten Jahren mühsam und oft gegen den Widerstand der Kulturlobby durchgedrückt wurde. Die Idee dahinter: Eine starrere Struktur hilft den Hörern beim Einstieg ins Programm, weil sie sich an den fixen Anfangszeiten der einzelnen Rubriken besser orientieren können.

Leichterer Einstieg, mehr Hörer – DeutschlandRadio Kultur kann beides gut gebrauchen. Die Zahl von täglich etwa 250.000 Hörern ist, freundlich gesagt: steigerungsfähig. Jetzt soll die Reform Bewegung in das mittlerweile elf Jahre alte Programm bringen – und natürlich möglichst Bewegung nach oben.

Zunächst ging es aber erst mal nach unten, und zwar mit den Einnahmen aus den Rundfunkgebühren. Anders als bei ARD und ZDF werden beim DeutschlandRadio die Gebühren nämlich mit der neuen Gebührenperiode ab 1. April tatsächlich gekürzt. Statt 40 Cent pro Gebührenzahler und Monat gehen nun nur noch 37 Cent an den Sender mit den zwei Funkhäusern in Köln und Berlin. Allein: Mit immer noch rund 200 Millionen Euro pro Jahr für gerade einmal zwei Hörfunkprogramme ist das DeutschlandRadio weiter üppig ausgestattet. Auch jetzt wird weiter ins Programm investiert. Man wagt mit dem Relaunch sogar einen Schritt, der so gegen alle Trends zu streben scheint: die deutliche Erhöhung des Wortanteils.

Um bis zu 15 Prozent soll das Wort gegenüber der Musik gestärkt werden. Gewinner der Reform sind so vor allem die freien Autoren, die die Buch-, Film- oder Theaterkritiken zuliefern. Die Zahl der Besprechungen verdoppelt sich fast. Die Mehrbelastung für die Redakteure wird durch die Stärkung der Fachredaktionen und die tägliche Wiederholung jeweils einer Rezension aufgefangen. Unfreiwillig entlastet werden hingegen die Musikredakteure: Die kleineren Musikstrecken innerhalb des Tagesprogramms sind abgeschafft, jedes Stück muss nun in eine an- und eine abmoderierende Erklärung eingebettet werden. Entlassungen gibt es aber keine – nur beim Honorar für die Moderatoren wurde ordentlich geknapst. Umbenannt in „RaMs – Redakteure am Mikrofon“ können sie tariflich anders eingruppiert werden und erhalten so um bis zu ein Drittel weniger.

Ansonsten mischen sich – wie überall vor einschneidenden Reformen – Panik, Pessimismus und Euphorie. „Hoffentlich finden die Hörer das neue Programm nicht zu kleinteilig und wortlastig“, sagt eine Mitarbeiterin. Eigentlich klingt das bei ihr aber ganz zuversichtlich.