Tegel hebt ab – nur die Richtung ist unklar

DEBATTE Auf der zweiten Konferenz zur Nachnutzung des Flughafens wird über zwei völlig unterschiedliche Planungsansätze diskutiert. Das ist auch sinnvoll

„Wiese, Wasser, Wald, Weite. Das ist der Schatz“

HENRI BAVA, AGENCE TER

In Sachen Tegel hat es Ingeborg Junge-Reyer richtig eilig. Nicht nur dass die SPD-Stadtentwicklungssenatorin seit Monaten – und damit drei Jahre vor der geplanten Schließung des Airports 2011/12 – ordentlich auf die Tube drückt, wenn es darum geht, wie sich das 460 Hektar große Areal einmal entwickeln könnte. Am Mittwochabend auf der „2. Standortkonferenz Werkstatt TXL“ vor Ort setzte Junge-Reyer noch einen drauf: Für sie sei der „ehemalige Flughafen Tegel“ gedanklich bereits jetzt schon geschlossen und warte nur darauf, „dass Pläne für seine Zukunft“ auf den Tisch und zur Realisierung kämen.

Ein paar Ideen hatte die Senatorin gleich parat: von einem Expo-Gelände über Olympiasportstätten bis hin zu Gewerbe- und Wohnlandschaften, umringt von Wasser, Wiesen und Wald. Warum Berlins Stadtentwicklungschefin in Tegel so umtriebig ist, weiß jeder: Sie plagt das schlechte Gewissen, für die Nachnutzung des nach langem juristischem und politischem Hickhack stillgelegten Flughafens Tempelhof viel zu spät etwas getan und nur mit banalen Vorstellungen reagiert zu haben.

Nun soll alles anders und besser werden: Nach der ersten Tegeler Standortkonferenz im Oktober 2008 hat die Verwaltung jetzt sechs Teams mit Stadt- und Landschaftsplanern zu einem „Werkstattverfahren eingeladen, bei dem kooperativ an Entwicklungsideen gearbeitet wurde“. Ziel war es, „aus verschiedenen Blickwinkeln langfristige Konzepte entstehen zu lassen“, so der zuständige Abteilungsleiter in der Bauverwaltung, Reiner Nagel. Am Mittwochabend wurden die Entwürfe vorgestellt, Ende August sollen die Teams erneut vortragen.

Vergleicht man die Arbeiten, zeichnen sich zwei klare und zugleich völlig gegensätzliche Richtungen für den Umgang mit dem Gelände sowie dem 1972 erbauten Terminalgebäude ab. Zum einen schlagen etwa die Büros Agence Ter (Karlsruhe/Paris) oder Cityförster (Hannover) vor, „die Tegeler Lichtung“ zu öffnen und in ihrer Weite und Natürlichkeit zu belassen. „Wiese, Wasser, Wald, Weite. Das ist der Schatz“, sagte Henri Bava von Agence Ter.

Zum anderen denken sich Stadtplaner wie die Teams West 8 oder MVRDV (Rotterdam) und das Büro Gerkan, Marg und Partner (Hamburg) – das den Flughafen einst erbaute – visionäre Modelle zukünftiger Architekturlandschaften aus. Hat West 8 noch „kleine“ Umwandlungen in Expodimensionen für das Gebiet vor, bietet Meinhard von Gerkan Tegel gleich zwei große Perspektiven an. „TXL plus, die Energie-Plus-City, kann der Prototyp einer zukünftigen Stadt werden“, erklärte der Hamburger Architekt. Dabei könne man das Terminalgebäude zu einen Campus für innovative und energiesparende Bau- und Photovoltaiktechniken umgestalten und entlang der drei Kilometer langen Landebahn eine neue Stadt mit hunderten Arbeitsplätzen und Firmen ansiedeln.

Dass Themen wie die neue Stadt, Gewerbe und Innovationen bei den Politikern auf der Konferenz ziemlich gut ankamen, ist wenig überraschend. Die gefühlte Zustimmung durch das vielköpfige Publikum hingegen konnten jene Beiträge verbuchen, die schonender mit der Natur umgingen. Es bleibt also spannend, wohin Tegel abhebt.

ROLF LAUTENSCHLÄGER