irak/geiselbefreiung
: Aufklärung ist nicht in Sicht

Warum musste Nicola Calipari sterben? Gleich zwei Untersuchungen, eine amerikanische und eine italienische, werden in den nächsten Wochen der Frage nachgehen. Antworten werden sie nicht liefern. Die amerikanische nicht, weil da die Täter gegen sich selbst ermitteln. Und schon jetzt schieben sie dem Opfer die Schuld an seinem Tod zu, wollen die Welt glauben machen, der erfahrene Geheimdienstmann habe sich wie ein blutiger Anfänger aufgeführt. Aber auch die italienischen Ermittlungen werden kaum handfeste Resultate produzieren: Sie können sich bloß auf die Aussagen Giuliana Sgrenas und des Fahrers stützen.

KOMMENTARVON MICHAEL BRAUN

Weil die Wahrheit unerkannt bleibt, gedeihen die Spekulationen. Pier Scolari, der Lebensgefährte Sgrenas, äußerte den Verdacht, die US-Soldaten hätten gezielt auf die Journalistin geschossen – sie habe „Informationen gehabt“, die den USA unbequem seien. Doch diese Theorie leuchtet kaum ein. Zynisch gesprochen: Hätten die US-Streitkräfte eine tote Sgrena gewollt, dann hätten sie sie auch bekommen.

Plausibler klingen die Überlegungen, die Giuliana Sgrena bei ihrer Rückkehr nach Rom anstellte. Die USA seien generell gegen den Freikauf von Geiseln im Irak – und die bewaffnete Attacke könne ein Sabotageakt gegen die durch Italien allein organisierte Befreiung sein. Dagegen spricht, dass das US-Kommando die italienischen Unterhändler immer gewähren ließ. Sie konnten sich im Irak von den USA ungehindert bewegen. Schließlich ist Italien, anders als Frankreich, Verbündeter im Irak, und wohl deshalb auch ließen sich bisher die italienischen Geiselkrisen in weit kürzerer Zeit lösen als die französischen.

Womöglich ist Calipari einfach nur Opfer des täglichen Wahnsinns im Irak geworden. US-Patrouillen, die das Feuer auf angeblich verdächtige Fahrzeuge eröffnen, die ihre MGs gegen Autos richten, die „zu schnell fahren“, obwohl sie bloß mit 30 Kilometern unterwegs sind, gehören in Bagdad zum Alltag. Die Welt erfährt nichts von den Toten, solange sie Iraker sind. Diesmal aber waren Italiener Opfer des „friendly fire“.

Opfer der Schüsse ist auch Silvio Berlusconi. Er muss nun den USA gegenüber Entschlossenheit demonstrieren, um den fatalen Eindruck zu zerstreuen, Italien sei nicht Alliierter, sondern Untertan. Doch was jetzt aus Rom kommt, sind harte Töne ohne harte Haltung. Die geforderte „rückhaltlose Aufklärung“ wird es nicht geben – und Italiens Truppen werden im Irak bleiben.