Nanoteilchen trotz Risiko weiterhin erlaubt

FORSCHUNG Die große Koalition hält ein Moratorium in der Nanotechnologie für unnötig. Grüne Kritik

BERLIN taz | Bei der Regulierung der umstrittenen Nanotechnologie spielt die große Koalition auf Zeit. Zwar wollte sie am Donnerstagabend im Bundestag einen Antrag zur Förderung verabschieden, der auch ausdrücklich auf die damit verbundenen Risiken verweist – darin findet sich aber kein Anwendungsmoratorium für ungebundene Nanopartikel, die gefährlich sein können und etwa für Lebensmittel und Kosmetika entwickelt werden.

Stattdessen fordern die Fraktionen von CDU/CSU und SPD die Bundesregierung lediglich auf, die Ausgaben zur Risikoforschung bis 2012 um 10 Prozent zu erhöhen. „Dabei sollte besonderes Augenmerk auf die freien Partikel im Bereich Produktionssicherheit und Entsorgung gelegt werden“, heißt es. Nanoteilchen sind 1 bis 100 Nanometer groß. Zum Vergleich: Der Durchmesser eines Menschenhaares beträgt etwa 50.000 Nanometer. Nanoteilchen können vielseitig angewendet werden, zum Beispiel bei der Beschichtung von Oberflächen, die dadurch wasserabweisend werden. In diesem Fall sind die Nanoteilchen gebunden. Es gibt aber auch frei schwebende Nanoteilchen, die etwa in Waschmaschinen für saubere Wäsche sorgen sollen. Im Koalitionsantrag heißt es, wissenschaftliche Berichte ließen den Schluss zu, dass „die freien Nanopartikel, im Gegensatz zu den fest verankerten Nanopartikeln, ein Risiko darstellen könnten“. Ähnlich wie Feinststäube könnten sie unkontrolliert durch die Wände menschlicher Zellen dringen und gesundheitliche Schäden anrichten. Einen Anwendungsstopp fordert die große Koalition jedoch nicht. Sie sagt nur, dass „die Verbreitung von künstlich hergestellten freien Nanopartikeln in Gewässer, Luft und Boden so weit wie möglich vermieden werden“ solle.

Die Grünen-Forschungsexpertin Priska Hinz kritisiert das. „Vier Jahre haben die Koalitionsfraktionen im Bereich Nanotechnologie geschlafen“, sagte sie der taz. Nun formulierten sie kurz vor dem Ende der Legislaturperiode umfangreiche Forderungen an die Bundesregierung. „Das ist eine Farce.“ Die Nanotechnologie biete „riesige Chancen für den Klima- und Umweltschutz“. Nanopartikel dürften in den Bereichen Lebensmittel, Kosmetika und Reinigungsmittel nicht angewendet werden, bevor die Risiken nicht geklärt seien. RICHARD ROTHER