Akrobatik in der Pause

Der Zirkus Radelito, Stolz der Willy-Brandt-Gesamtschule in Höhenhaus, geht im Juli auf Tournee nach Nicaragua

KÖLN taz ■ Seltsames Reisegepäck werden zehn Schüler der Willy-Brandt-Gesamtschule in diesen Sommerferien mitnehmen. Ein Schüler wird sein Einrad einpacken, ein anderer seine Jonglierbälle. Das Reiseziel ist so ungewöhnlich wie das Gepäck: Corinto, Kölns Partnerstadt im Norden Nicaraguas. Die nächste Tournee des Schulzirkus Radelito geht nicht in eine Nachbarschule, sondern nach Mittelamerika.

In Köln-Höhenhaus ist Radelito der Stolz der Gesamtschule. 1.100 Kinder und Jugendliche besuchen hier den Unterricht, zwischen 60 und 70 von ihnen treten nebenher im Schulzirkus auf. Am letzten Samstag präsentierte der Zirkus sein neues Programm „looking out“. Über 50 Veranstaltungen absolvieren die Artisten im Jahr, geprobt wird täglich in den Unterrichtspausen.

„Für mich heißt das natürlich, dass ich keine Pausen mehr habe. Der Zirkus ist für mich wie ein kleines Unternehmen“, witzelt Georg Steinhausen. Der 54-jährige Mathematik- und Techniklehrer hat Radelito im Jahre 1992 als Arbeitsgemeinschaft ins Leben gerufen und und fungiert seitdem als Zirkusdirektor. Angefangen hat Steinhausen mit 13 Schülern bei einem 20-minütigen Auftritt auf einem Straßenfest. „Ein ziemlicher Reinfall“, wie er sich erinnert.

Mehr als zehn Jahre später hat sich die Zahl seiner „Radelitos“ verfünffacht. Die Truppe tritt mit verschiedenen Programmen in Kindergärten und Schulen auf, bei Roncallis Apollo-Varieté in Düsseldorf und bei der Höhner-Rockin‘-Roncalli-Show. „Die Prämisse bei unserer Arbeit ist, dass wir spielen können, egal wo“, sagt Steinhausen. Mit einem einmal einstudierten Programm ist es ihm nicht getan, ständig kommen neue Artisten und Kunststücke hinzu.

Schaut man sich die Entwicklung an, die Radelito genommen hat, ist die Tournee nach Nicaragua nur ein logischer Schritt. Vor fünf Jahren fuhren die ersten Schüler im Zirkusauftrag nach Berlin und Potsdam, später an den Bodensee, dann nach Spanien, England und Belgien. Doch warum ausgerechnet Nicaragua? „Ich habe mit meiner Frau mal eine Weltreise gemacht“, berichtet Lehrer Steinhausen. „Da haben wir auch in Nicaragua Station gemacht.“

Im Juli fährt er nun mit zehn Artisten für drei Wochen nach Corinto. Die Truppe wird in Schulen auftreten und den dortigen Kindern in Workshops das Zirkusmachen beibringen. Gerne wären mehr seiner Schüler mitgekommen, sagt Steinhausen, auch wenn die Reise in der Zeit der Sommerferien liegt. Letzte Details der Tournee sind noch offen, etwa die Unterbringung.

Wer das Repertoire von Radelito gesehen hat, weiß, warum sich die Schüler zutrauen, anderen Kindern Zirkustricks beizubringen. Natürlich gibt es die klassischen, eher einfacheren Einlagen Marke „Jonglage“ und „Diabolo“. Aber manche Jugendliche beherrschen auch Akrobatik und Artistik, winden sich elegant um schwebende Seile, Stangen und Reifen.

Im Zirkus Radelito hätten die Schüler eine ungeahnte Zusammenarbeit entwickelt, meint Steinhausen. „Alle helfen sich gegenseitig und ergänzen sich in ihren Stärken und Schwächen. Das sind wichtige Dinge, die sie aus dem Zirkus mitnehmen.“ Der Zirkusdirektor hofft, dass sich diese kameradschaftliche Denke auch auf den normalen Unterricht übertragen lässt.

BENJAMIN TRIEBE

Voraussichtlich am 22. Mai 2005 tritt Radelito wieder öffentlich auf. Vorher gibt es Veranstaltungen für Schulen und Kindergruppen. Kurzfristig können aber noch öffentliche Gastauftritte dazukommen. Informationen und Karten gibt es bei Georg Steinhausen, Tel. 0221 / 640 59 10, www.radelito.de