Szientismus – ein alter Streit

Szientismus bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch eine Auffassung, in der empirische Wissenschaft die Stelle der Religion komplett einnimmt. Tendenzen in dieser Richtung gibt es seit dem 18. Jahrhundert. Immanuel Kant versucht das Problem des Widerspruchs von theologischem und empirischem Deutungsmodell zu lösen, indem er keiner der Disziplinen einen Alleingeltungsanspruch zugesteht. Stattdessen institutionalisiert er 1797 einen Streit der Fakultäten. „Dieser“, so Kant, „kann und soll nicht durch friedliche Übereinkunft beigelegt werden, sondern bedarf [...] des Spruchs eines Richters (der Vernunft)“.

Königsberger List: Bislang hat die Vernunft noch nicht gesprochen. Allerdings gab es immer wieder szientistische Impulse. Bis heute wirkmächtigster ist Darwins 1859 vorgestellte Evolutionstheorie, die jede Lehre vom Menschen als Gottes Ebenbild alt aussehen lässt. „Auch wenn der Atheismus schon vor Darwin logisch haltbar war, so ermöglichte es doch erst Darwin dem Atheisten, intellektuell zufrieden zu sein“, resümiert Richard Dawkins 100 Jahre später . Allerdings ergeben sich aus einem rein naturwissenschaftlichen Modell Probleme: „Nun haben wir eine Wissenschaft ohne Moral und stehen in der technisch-wissenschaftlichen Zivilisation, die sich ihrer Gottferne rühmt, ohne ein Wertsystem da“, stellte jüngst der Berliner Soziologe Wolf Lepenies fest.